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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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er begegnete den ängstlichen Warnungen der Hofdamen mit einem selbstsicheren Lächeln. Wenn Vela ihn ansah, dann konnte sie daran glauben, dass diese furchtbare Angelegenheit vielleicht doch gut ausgehen würde. Schließlich war er ein Held.
    Unter dem Jubel der Menge brach Ritter Pavo endlich im Schritttempo auf, zahlreiche Taschentücher und feingliedrige Hände winkten ihm hinterher. Vela sprang auf und folgte ihm in einiger Entfernung.
    Als sie am Balkon vorbeikam, sah sie den Kanzler darauf stehen, der die ganze Szenerie beobachtete. Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen. Sie hob kurz die Hand, aber der Mann erwiderte den Gruß nicht, also ließ sie die Hand wieder sinken.
    Sie entschied sich, Ritter Pavo erst anzusprechen, wenn er die Stadt verlassen hatte, denn sicher würden ihm die Menschen auf seinem ganzen Weg zuwinken. Sie wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Am Stadtrand wollte sie ihn dann abpassen und ihm sagen, dass all ihre Hoffnung mit ihm ging. Es würde
ein zusätzlicher Ansporn für den Ritter sein, davon war sie fest überzeugt.
    Bis zum Mittag.
    Inzwischen hatte Pavo ein halbes Dutzend Mal Halt gemacht. Einmal bei einem Bäcker, um sich frischen Brombeerweinkuchen geben zu lassen, weil der Bäcker beim Turnier auf ihn gesetzt hatte. Ein anderes Mal bei einem Geldwechsler, der allerdings ziemlich laut auf den Besuch reagierte, nur verstand Vela nicht, worum es in dem Gespräch ging, weil sie zu weit vom Haus entfernt stand. Ein weiteres Mal hielt er bei einer Wäscherin, die eines seiner Hemden fertig gebügelt hatte.
    Vela fragte sich, was er auf dieser Reise mit einem Seidenhemd wollte?
    Zwischen diesen Besuchen hielt Pavo immer wieder an, um einen Plausch mit einer Magd zu halten oder sich vom Pferd herunterzubeugen, um einer Obstverkäuferin zu erzählen, wie schön ihre Äpfel an diesem Tag wieder glänzten, worauf die Frauen in albernes Gekicher ausbrachen.
    Nach der dritten Obstverkäuferin hatte Vela die Nase voll und hätte Ritter Pavo am liebsten selbst angehalten, um ihn zu fragen, ob er nun nicht endlich aus der Stadt reiten wolle! Wozu war er als Erster aufgebrochen, wenn er jetzt so lange herumtrödelte?
    Abgesehen von Ritter Pavo herrschte wie an jedem Morgen hektische Betriebsamkeit in der Stadt. Doch Vela konnte die Wachen sehen, die durch die Straßen patrouillierten und sich umsahen. Auf ihren Brustpanzern prangte das Wappen des Mechanischen Königs, in den Händen hielten sie Lanzen, deren Spitzen in der Sonne glänzten.
    Sie sah Menschen, die in Gruppen beieinanderstanden und tuschelten, ihre nervösen Blicke übertrugen zusätzliche Unruhe
auf Vela. Sie musste die Gespräche nicht verstehen, um zu wissen, worum es ging: Alle machten sich Sorgen, wie es nun ohne den König weitergehen würde. Der Kanzler ließ zwar in Stadt und Land Verlautbarungen ausrufen, die zu Ruhe und Besonnenheit mahnten, aber allein sein Wort konnte die Massen nicht beruhigen.
    Vela verstand ihre Besorgnis, denn ihr ging es ähnlich, auch ganz abgesehen von der Angst um ihren Vater. Allein zu wissen, dass der König da war, Recht sprach und über sie wachte, gab ihr ein Gefühl von Sicherheit.
    Aber was passierte, wenn sich der Schlüssel nie wieder einfand? Wenn der Vogel mit seiner Beute für immer verschwunden blieb? Gerade weil es für alle gleichermaßen von Bedeutung war, dass der diebische Vogel gefunden wurde, konnte sie nicht begreifen, warum Ritter Pavo so viel Zeit vertat.
    Es wurde bereits eins, als sie endlich am Stadtrand ankamen und Pavo absaß, um mit den Torwachen eine Partie Drei-Pasch-Zahl zu spielen. Dabei verlor er offenbar mehrmals hintereinander, was dazu führte, dass er seine Schärpe an die Wachen übergab und dann ohne diese weiterritt, immer noch im Schritttempo.
    Als er die Stadt mit all ihren Menschen hinter sich gelassen hatte, rannte Vela los, um ihm Erfolg zu wünschen und vielleicht auch, um ihn zur Eile zu treiben, sofern ihr Mut sie bis dahin nicht verließ. Durfte man einen Ritter und Helden zur Eile treiben?
    Doch bevor sie eine Antwort gefunden hatte oder bei ihm angelangt war, hielt er schon wieder und band sein Pferd vor einem großen Haus an, vor dem bereits andere Pferde standen. Im Näherkommen erkannte sie das breite Holzschild über der Eingangstür, auf das ein Schwertfisch gemalt war, der schon
an Farbe verlor. In den Fenstern rankte wilder Wein, und Vela konnte Braten riechen.
    Eine Gaststube.
    Wollte er etwa schon Mittagessen? Er

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