Der Königsschlüssel - Roman
auf ihr helles Kleid rieselte. Cephei musste grinsen und stellte
sich vor, wie sie nachher ihren Leibwächtern die Schuld an dem verfärbten Kleid geben würde.
Dann sah er sich weiter um und vor allem den herausgeputzten Mädchen hinterher. Sie waren bei weitem der interessanteste Anblick hier, zumindest bis die Ritter die Arena betraten.
Schließlich war es so weit. Die meisten Plätze waren besetzt, ein paar zu spät Gekommene eilten noch durch die Reihen, und sieben lang gezogene Fanfarenstöße forderten Aufmerksamkeit. Cephei sah zur Königsloge hinüber, aber der König war nicht gekommen, sein Thron noch immer leer. Daneben stand der Kanzler, und zwei schöne junge Frauen, die mit ihrem Lächeln und den rosa Kleidern der Schlüsselkönigin ähnelten, hielten einen reich verzierten Trichter an seinen Mund. Laut hallte durch ihn die Stimme des Kanzlers, und Cephei lauschte aufmerksam seinen Worten. Doch seine Augen ruhten auf den beiden Frauen, er fand es ausreichend, dem Kanzler die Ohren zu leihen.
»Sehr verehrte Bürger und Besucher«, begann der Mann. »Es ist das erste Mal in meiner Amtszeit, dass ich vor dem Turnier das Wort an Sie richte, es ist das erste Mal überhaupt, dass nicht der König den Wettkampf eröffnet, so weit unsere Chronik zurückreicht. Doch das soll für Sie kein Grund zur Sorge sein. Unser geliebter Herrscher, der freundlichste König der gesamten bekannten Welt, ist bei unserem Hofmechaniker Tom in den allerbesten Händen und erholt sich noch von dem feigen Überfall, der vor zwei Tagen stattgefunden hat.«
Cephei spürte, wie sich nach diesen Worten ein Teil der Nervosität unter den Zuschauern legte. Auch er fühlte sich ein wenig beruhigt, aber dann fiel sein Blick plötzlich auf das Mädchen, das er schon bei der Schlüsselzeremonie auf dem Balkon hatte stehen sehen.
Sie saß neben einer hübschen Freundin in der Nähe der Königsloge und sah verärgert und erstaunt zum Kanzler empor. Dann drehte sie sich zu ihrer Freundin um und beschwerte sich über irgendetwas. Diese legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm und flüsterte ihr ins Ohr. Das Mädchen schüttelte den Kopf, und die Freundin redete weiter auf sie ein, wie eine Mutter, die ihrem Kind sagt: »Aber in der Welt der Erwachsenen ist das einfach so, das wirst du später schon noch lernen«, ohne etwas zu erklären.
Cephei war von diesem Dialog, von dem er kein Wort hören konnte, so sehr in Bann geschlagen, dass er nicht weiter auf die Ansprache achtete. Er hatte das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Erst als ihn der Bär anstupste, hörte auch er dem Kanzler wieder zu.
»… und so werden wir bei dem heutigen Turnier vier Sieger bestimmen. Vier Helden, deren ehrenvolle Aufgabe es sein wird, den Königsschlüssel zurückzugewinnen. Ein jeder von ihnen wird in einer Himmelsrichtung suchen, einer im Norden, einer im Süden, einer im Westen und einer im Osten.«
»Und was ist, wenn sich der Vogel im Südwesten oder Nordosten aufhält?«, feixte ein Mann neben Cephei leise, doch niemand beachtete ihn.
»Sie werden uns den Schlüssel zurückbringen und dafür großartig entlohnt werden. Und ihre Taten werden in die Geschichte eingehen als heroische Jagd nach dem Terrorvogel, der Bestie, die vom Himmel kam. Ihr Heldenmut wird noch in Jahrzehnten besungen werden, so wie schon das eine oder andere Abenteuer, das die berühmten Recken bestanden haben, die sich nun gleich vor unseren Augen miteinander messen werden. Begrüßen Sie also mit einem donnernden Applaus die größten Recken unseres
Landes, die meisterlichen Fechter, die aus allen Ecken des Königreichs zu uns gekommen sind, um sich zu beweisen und um uns eine wunderbare Schau zu bieten. Meine Damen und Herren, liebe Kinder: die besten Ritter unseres Landes!«
Das Publikum tobte, sein Klatschen und Jubeln übertönte sogar die Fanfaren. Die Adligen um die Königsloge applaudierten vornehm zurückhaltend, aber mit wohlwollend lächelnden Gesichtern und aufmunterndem Nicken.
Nur das Mädchen blieb ernst und schlug die Hände mehr pflichtbewusst als begeistert zusammen. Wenn sie sich nicht für das Turnier interessierte, was tat sie dann hier?, fragte sich Cephei, aber dann sah sie so konzentriert in die Arena, dass Cephei erkannte, wie groß ihr Interesse wirklich war.
Und damit war sie auch schon vergessen, denn jetzt marschierten die Ritter ein, und Cephei jubelte ihnen zu und sprang begeistert auf seinen Sitz und darauf herum. Die Stimmung war
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