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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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war doch noch kein Stück vorangekommen!
    Sie schüttelte den Kopf und folgte dem Ritter dann in das Gasthaus. Der Geruch von Essen und Bier schlug ihr entgegen, und auch der Lärm, den eine Gruppe Männer verursachte, die in einer Ecke an einem großen, runden Tisch saßen. Es waren die anderen drei Ritter, die eigentlich längst aufgebrochen sein sollten, und zu denen sich nun auch Ritter Pavo gesellte.
    Da saßen sie also alle in Seelenruhe, lachten, scherzten, tranken Bier und aßen aus dampfenden Schüsseln, was ihnen der Wirt mit Empfehlung des Hauses servierte. Vela war fassungslos.
    Pavo bestellte sich gerade seinen ersten Krug, und Vela setzte sich in einiger Entfernung an einen Tisch am Fenster und beobachtete sie weiter, bis der dicke Wirt kam und unfreundlich murrte: »Was willst du Gör denn hier?«
    Erschrocken sah sie auf. »Mittagessen …«
    »Hast du kein Zuhause?«, fragte der Wirt weiter, und sie starrte auf seine großen Hände, die sich auf seine Hüften stützten.
    »Ich kann zahlen.«
    »Na dann zeig mal her.«
    Kurz legte sie die Münzen auf den Tisch, und endlich ging der Wirt wieder. Die Ritter bestellten eine weitere Runde Krüge und begannen, von ihren Abenteuern und Schlachten zu erzählen. Mit jeder Geschichte wurden sie lauter.
    »Wisst ihr, dass ich dabei war, als die Burg des vermaledeiten Kinderrösters und Raubritters Foltmar fiel? Jawohl! Und das, obwohl sie auf dem vereisten Himmelszahn als uneinnehmbar
galt...«, fing der Erste an, und schon bald taten seine Kameraden alles, um ihn zu überbieten.
    »… dreißig Schergen des einäugigen Todesbarbiers habe ich in die Flucht geschlagen … einen Volkshelden haben sie mich genannt … neun Tage und Nächte wurde gefeiert …«
    »Drei Köpfe! Das Wesen hatte drei Köpfe! Und ein viertes, gefräßiges Maul direkt auf dem Bauch! Bei seinem Anblick konnte man zu Stein erstarren vor lauter Furcht … aber ich natürlich nicht …«
    »Wollt ihr wissen, wie ich der Hexe ihr drittes Auge aus dem schwebenden Glas geraubt habe? Mit List. List und einem Tuch aus dem nachtschwarzen Stoff, den sie nur im fernen Gadbah herstellen können, jawohl, so war das damals. Noch heute erzählt man sich in der Gegend …«
    Sie redeten und schlemmten und lachten und redeten und redeten und redeten. Doch nicht ein Wort fiel vom Königsschlüssel oder dem riesigen Vogel oder dem, was sie tun würden. Stets schwärmten sie von vergangenen Taten.
    Nach einer Weile kam ein Junge an Velas Tisch, in ihrem Alter oder ein bisschen jünger, er humpelte, und ein dunkles Veilchen zierte sein linkes Auge. Seine Oberlippe war aufgeplatzt und das Blut getrocknet. Er hatte Prügel bezogen, vielleicht erst gestern. Bei seinem Anblick schluckte sie. Gleichgültig, welchen Streit es bei ihr zu Hause gab, geschlagen wurde sie nie.
    Als er eine Schüssel mit Fleischeintopf vor sie hinstellte, musterte er sie, bis Vela fragte: »Was ist?«
    »Ich kenn’ dich.«
    »Ach ja?«
    Er nickte. »Vom Turnier. Du hast auf dem Balkon gestanden. Mit dem König.«

    Sie wurde rot, und der Schweiß brach ihr aus. Was, wenn man sie jetzt erkannte und fortschickte, bevor sie mit den Rittern sprechen konnte? »War ich nicht.«
    »Doch, ganz bestimmt. Du hattest so ein grünes Hemd an und …«
    »Das war ich nicht.«
    »Doch, ich bin mir sicher, dass...«
    Sie schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Ich sagte doch, dass ich es nicht war!«
    Einen Moment sah sie der Junge mit zusammengekniffenen Augen an, dann meinte er: »Wenn du es sagst«, und drehte sich weg, um zur Theke zurückzugehen, hinter der er Krüge abspülte.
    Vela widmete ihre Aufmerksamkeit abwechselnd den Rittern und ihrem Mittagessen. Der Eintopf schmeckte nicht wie zu Hause, es war viel zu viel Salz darin, deshalb bestellte sie einen Krug Limonade. Der Krug war groß genug, damit sie noch eine ganze Weile weiter im Gasthaus sitzen bleiben konnte. Gebracht wurde er von dem Jungen mit dem Veilchen, der neben dem Tisch stehen blieb, nachdem er den Krug auf der abgenutzten Tischplatte abgestellt hatte.
    »Glaubst du an Schicksal?«, fragte er und wischte mit einem Lappen über das Holz.
    »Was?«
    »Ob du an Schicksal glaubst?«
    »Nein«, antwortete sie, aber das schien dem Jungen nicht zu gefallen, denn er runzelte die Stirn.
    »Du etwa?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht genau. Wenn ich dich auf dem Balkon gesehen hätte und dann wieder auf dem Turnier und dann hier, dann wäre das doch schon seltsam,

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