Der Königsschlüssel - Roman
weiß doch, dass du das Zeug zum Knappen hast, wirst es schon noch beweisen können.«
Cephei nickte langsam und warf Vela noch einen Blick zu, die unruhig auf ihrem Lager hin und her rutschte, doch sie hatte ihm anscheinend nichts mehr zu sagen, nicht mal auf Wiedersehen.
Zweimal öffnete sie den Mund und schloss ihn wieder ohne ein Wort. Kurz hob sie die Hand, aber da drehte er sich schon fort und verließ die Scheune.
Doch statt nach Hause zu gehen, legte er sich hinter dem Weberhaus auf eine Bank, im Dunkeln verborgen, und hüllte sich fest in seinen Mantel. Es war weder warm noch bequem, aber eine Nacht würde er das schon aushalten, schließlich war er keiner von diesen Jungen, die oben im besseren Viertel der Stadt lebten, wo man schon zum Frühstück Pasteten aß. Die hätten sich auf der Holzpritsche vielleicht hin und her gewunden, aber Cephei sah einfach hoch zu den Sternen.
Er würde es ihnen schon zeigen! Wenn sie glaubten, ihn so leicht zurücklassen zu können, dann irrten sie sich gewaltig. Vielleicht war es sogar gut, dass er nicht noch einmal in die Kneipe zurückgehen konnte, so lief er wenigstens nicht Gefahr, dass Dorado ihn entdeckte und verhinderte, dass er zu diesem Abenteuer aufbrach. Kurz bedauerte er, sich nicht von der Schusterstochter verabschieden zu können, aber das war jetzt nicht mehr zu ändern. Wenn er als berühmter Knappe von seiner Reise zurückkehrte, würde er ihr alles genau berichten, und sie würde verstehen, warum er überhastet aufgebrochen war, ohne jemandem davon zu erzählen.
Nach ein paar Minuten leistete ihm eine Hofkatze Gesellschaft, und so wärmten sie sich gegenseitig und warteten auf den kommenden Tag.
AUFBRUCH
Der Aufbruch ging schnell. Am Morgen packten Vela und Urs ihre Sachen und verließen die Scheune. Ein paar Frühaufsteher warfen ihnen überraschte Blicke zu, denn ein Mädchen in Begleitung eines sprechenden Bären war auch in der Königsstadt nicht alltäglich. Vielleicht wurde Vela auch von dem einen oder anderen erkannt.
Sie zog die Kapuze ihres Mantels tiefer ins Gesicht.
Doch Urs schienen die Blicke nichts auszumachen, also versuchte auch Vela, sie zu ignorieren. Immer wieder schielte sie jedoch selbst zu dem Bären an ihrer Seite, weil sie noch immer erstaunt war über seine Erscheinung.
Er ging aufrecht, und trotz seiner kurzen Beine legte er ein ordentliches Tempo vor. An dem breiten Gürtel um seinen Bauch hingen das Schwert und ein langer Dolch sowie drei faustgroße Lederbeutel, der Rücken wurde beinahe vollständig von zwei aneinandergeschnallten Rucksäcken verdeckt. Kleidung trug er keine, der Pelz wärmte ihn sicher mehr als genug, nur einen breitkrempigen schwarzen Hut hatte er aufgesetzt, was ihn ein wenig menschlicher machte.
Doch auch wenn er sich wie ein Mensch benahm und in diesem Moment sogar leise vor sich hin pfiff, wirkte er auf Vela noch immer fremd. Noch nie zuvor hatte sie einen sprechenden Bären gesehen, und ihre Mutter wäre wahrscheinlich entsetzt darüber gewesen, dass sie einfach so mit ihm in die Fremde zog. Was wusste sie schon über ihn? Aber Vela entschloss sich, auf ihr Bauchgefühl zu hören.
Die Stadtwachen am östlichen Tor fragten niemanden, der hinauswollte, wohin er ging, und so waren sie unter den Ersten, die die Stadt an diesem Tag verließen.
Den Weg zum Rauschwald mussten sie zu Fuß zurücklegen, weil sie keine Pferde besaßen und Kutschen nur auf der nördlichen und der west-östlichen Route verkehrten. Auf der Südseite der Stadt gab es zwar ein Stadttor, doch die Straße in den Süden war schmal und kaum gepflegt. Händler sah man hier nicht, nur hin und wieder Bauern von den wenigen Höfen aus der Umgebung.
Die Kutschlinien führten im Westen nach Kerburg und weiter zur Küste und im Osten über die Handelsstadt Athago bis ins Sedische Reich und nach Gadbah. Vor Kerburg und Athago mochten auch Kutschen nach Süden fahren, am Rauschwald vorbei, doch dieser Weg bedeutete eine Verzögerung von mehreren Tagen, vielleicht Wochen, je nachdem, wann die Kutschen aufbrachen.
Vela und Urs folgten der Straße, die direkt zum Rauschwald führte und an der rechts und links große Breitblattbäume wuchsen. Anfangs sah sich Vela immer wieder um und verfolgte, wie Marinth in ihrem Rücken kleiner wurde, doch dann verbot sie es sich. Es erinnerte sie nur daran, was sie zurückließ. Sie dachte an ihren Vater, der müde und hoffnungslos im Kerkerturm saß, und versuchte mühsam, mit dem Bären Schritt
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