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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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aber sie hörte nichts mehr. Trotz der Finsternis konnte sie ein wenig sehen; kaum mehr als Schemen, doch die gaben ihr ein wenig Sicherheit. Urs lag immer noch auf der Seite und schlief, und auch Cepheis Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig.
    Sie überlegte, ob sie sich das Geräusch nur eingebildet hatte, aber dann öffnete sich auf einmal die Tür, die hoch über dem Waldboden ins Freie führte, und eine Gestalt erschien im Türrahmen.
    Vela wollte schreien, aber ihr Mund war wie zugeklebt, und so konnte sie nur stumm mit ansehen, wie die Gestalt lautlos hereinschwebte, langsam, eine Handbreit über dem Boden. Je näher sie kam, desto besser konnte Vela sie erkennen, die Gestalt trug Serpems Kleider. Aber es war nicht Serpem.
    Es war eine Frau mit langen schwarzen Haaren, die ihr bis zu den Hüften reichten und sich wie Katzenschwänze bewegten, immer hin und her, als besäße das Haar ein Eigenleben. Die Hände waren lang und dünn, und an ihren Enden befanden sich Krallen, die etwas hielten, vielleicht einen Hasen. Das Gesicht war schneeweiß. Die Gestalt schwebte weiter zur Küchentür, die sich öffnete und dann lautlos schloss, während Vela ihr noch immer hinterherstarrte.
    Sie zitterte und krallte sich in die Decke. Ihr Herz raste, und ihr Atem ging stoßweise, als sie nach Urs tastete und
ihn sanft an der Schulter rüttelte. Doch er rührte sich nicht, schnarchte nur friedlich vor sich hin. Vela rüttelte kräftiger und flüsterte seinen Namen. Aber Urs schlief weiter. Kein Zucken, kein Grunzen.
    Sie kroch zu Cephei hinüber und schüttelte ihn, zog an seinen Haaren, hielt ihm die Nase zu, aber er schlief tief und fest. Es war, als seien sie mit einem Zauber belegt, keinen der beiden bekam Vela wach, und einen Moment lang war sie so verzweifelt, dass sie weinte.
    Aus der Küche hörte sie gedämpft Geräusche, und die Tränen tropften ihr aufs Hemd. Langsam erhob sie sich. Die Angst saß tief in ihrem Bauch, aber sie musste etwas tun, sonst würde sie noch wahnsinnig werden. Vielleicht konnte sie den Bann von den beiden lösen, wenn sie die unheimliche Gestalt in Serpems Kleidern störte. Vela hatte zwar keine Ahnung, wie Bänne ausgesprochen und wieder aufgehoben wurden, aber sich einfach wieder hinlegen konnte sie auch nicht.
    Vorsichtig griff sie nach Urs’ Schwert, das viel zu schwer für sie war, und ging damit zögerlich auf die Küchentür zu. Mit dem Fuß schob sie sie auf und hielt das Schwert mit beiden Händen vor sich. Einen Moment lang stand sie im Türrahmen, dann trat sie einen weiteren Schritt vor.
    Die Gestalt saß am Küchentisch und biss in einen rohen, ungehäuteten Hasen.
    Als sie Vela bemerkte, ließ sie das Tier langsam auf den Tisch gleiten, doch das Blut klebte ihr noch am Kinn, und Vela konnte zwei spitze Eckzähne erkennen. Die Frau mit den lebendigen schwarzen Haaren war tatsächlich Serpem. Alles an ihr schien sich verändert zu haben, nur die Augen waren noch dieselben. Serpem war die Nacht, dunkel und kalt, fließend und unscharf.

    Vela blinzelte, und als sie wieder in ihr Gesicht sah, waren da plötzlich die bekannten Züge, das blonde Haar, auch das Blut war verschwunden, als hätte der Hase nie existiert. Aber er lag noch immer auf dem Tisch, aufgerissen am Bauch, und eine Lache bildete sich um ihn her auf der Platte.
    Serpem lächelte und legte die Hände in den Schoß. Wieder musste Vela blinzeln, aber das Bild blieb, die Nacht war von der Hexe abgefallen.
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragte Serpem, und Vela hob das Schwert ein Stück höher, doch lange würde sie die breite Klinge nicht mehr halten können. Wie sollte sie da mit ihr kämpfen? Serpem tat, als bemerke sie die feindselige Haltung nicht. »Soll ich dir einen Tee kochen, damit du besser schlafen kannst?«
    Vela brachte keinen Ton heraus. Hatte sie sich alles nur eingebildet? Warum war die Hexe tagsüber eine andere als in der Nacht? Hatte sie nur schlecht geträumt?
    Nein, dort lag ja noch immer der Hase, roh und blutig.
    »Willst du nun etwas oder nicht?«, fragte Serpem noch einmal.
    »Wer bist du?«, konnte Vela endlich flüstern, das Schwert vor sich, als könne sie damit wirklich etwas ausrichten, dabei merkte sie, wie ihre Muskeln langsam zu zittern begannen.
    »Ich habe es dir doch gesagt. Ich bin Serpem.«
    »Aber du sagst nicht die Wahrheit. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Ach was«, winkte sie ab. »Es ist ein Unterschied, ob man lügt oder nur nicht gleich alles erzählt. Das wirst du

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