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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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hinein.«
    »Und … was … ich meine …« Velas Stimme zitterte, sie konnte den Blick nicht von der Schere abwenden.
    »Deine Haare.«
    »Haare?«
    »Was dachtest du denn? Deine Ohren?« Serpem lachte laut.
»Na hör mal, die Gabe muss immer auch im Verhältnis zu dem stehen, was du von mir verlangst. Ich glaube nicht, dass ein Ohr gerechtfertigt wäre.«
    Was musste jemand verlangen, der sich dafür ein Ohr abschnitt? Einen Liebestrank?
    Erleichterung erfasste Vela, fast hätte sie schrill losgelacht. Obwohl sie an ihren Haaren hing, hing sie an ihrem Finger doch mehr. Haare konnten wieder wachsen, Finger nicht. Trotzdem betastete sie mit Bedauern die Strähnen, die ihr auf der Schulter lagen. Obwohl Cephei gesagt hatte, es wären Muthhaare, so waren es doch ihre.
    Ohne jedoch länger darüber nachzudenken, setzte sie die Schere an und durchtrennte die erste Strähne im Nacken. Vier weitere folgten, und nacheinander fielen die schweren Büschel in das Glas, bis Vela so kurze Haare hatte wie Cephei.
    »Reicht das?«
    »Aber ja.« Serpem verschloss das Glas und stellte es in den Schrank zurück.
    Wer wusste schon, was sie damit anstellen würde? Vielleicht braute sie einen gefährlichen Trank aus ihnen, obwohl sich Vela nicht vorstellen konnte, welcher Trank ihre Haare benötigte. Unsicher strich sie mit der Hand über den plötzlich freien Nacken, an dem es unangenehm kühl zog. Der Kopf wollte ihr ohne das Gewicht der Haare nach vorne fallen.
    »Wirst du mir nun sagen, was ich wissen muss?«
    Serpem seufzte. »Ein Geschäft ist ein Geschäft. Also hör gut zu, kleine Vela, und vergiss es nicht. Der Klippengeier fliegt zu seiner Herrin, der Herrin der Südlichen Feste. Ihr Name ist Aniba. Sie ist eine mächtige Hexe, die ganz am südlichen Rand des Reiches lebt, hinter dem Rauschwald und noch weiter über den
großen Fluss. Kaum jemand wagt sich mehr in ihre Nähe, es gibt nur wenige Dörfer in dieser Gegend. Die meisten Menschen sind von dort weggezogen, obwohl es am südlichen Ende schön warm ist. Dieser Herrin gehorchen die Klippengeier, deshalb weiß ich, dass es ihr Vogel war, auch ohne den Raub gesehen zu haben. In ihrem Reich habe ich keinen Einfluss. Sie würde es sofort merken, wenn ich versuchte, bei ihr einzudringen.«
    Vela beugte sich vor, die Aufregung ließ ihren ganzen Körper zittern. Den Namen hatte sie noch nie gehört. »Aber der König würde nie zulassen, dass eine Hexe in seinem Reich solche Macht hat.«
    Ungehalten winkte Serpem ab. »Der König hat ordentliche Arbeit geleistet, was uns Hexen betrifft, aber der südliche Rand ist weit weg, Vela. Sie hat sich nicht ohne Grund dort niedergelassen; die Männer des Königs kommen selten bis dorthin. Und es müssten einige Männer sein, die eine mächtige Hexe wie sie einfangen wollten.«
    »Aber warum hat sie den Schlüssel überhaupt gestohlen?«
    »Das weiß ich nicht, sie teilt sich mir nicht mit.« Serpem klang verärgert. »Aber ich kann dich nur warnen: Du solltest nicht die Dummheit begehen, in ihre Feste einzudringen. Was sich die Herrin der Südlichen Feste einmal erobert hat, das gibt sie nicht wieder her.
    Viele Jahre hat sie einen Kampf gegen den früheren Herren der Burg geführt, einen mächtigen Zauberer, weil sie in genau dieser Burg leben wollte und nirgendwo sonst. Nacht für Nacht hat sie ihn mit Trugbildern traktiert, hat ihm den Schlaf geraubt, und das nicht im übertragenen Sinn, und ihn schließlich mit dem angesammelten Schlaf von Jahren überschwemmt, so dass er sich für immer zwischen Hunderten von Albträumen verirrte
und nie wieder zu seiner Burg zurückfand. Und auch für jeden anderen ist sie kaum aufzufinden, sie ist durch Hexerei und eine dunkle Aura geschützt. Ihr tätet also gut daran, euer Vorhaben aufzugeben und umzukehren. Ihr könnt nicht gewinnen, so viel steht fest.«
    Die Worte erschütterten Vela, sie sank in sich zusammen und starrte auf ihre Füße, als könnte das irgendetwas ändern. Wie sollten sie gegen sie ankommen, wenn ihre Kräfte wirklich so mächtig waren, wie Serpem behauptete? Nicht einmal die Ritter könnten da etwas ausrichten. Kein Wunder, dass der König Hexerei hatte verbieten lassen.
    »Aber ich kann nicht aufgeben, alles hängt von mir ab.«
    »Du wirst es nicht schaffen.« Serpem klang ruhig, es schien ihr vollkommen gleichgültig zu sein, was mit Vela passierte oder auch mit ihrem Vater. Ihr Blick ruhte auf ihr wie auf einem Insekt, das sich auf einem Blatt niedergelassen hatte

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