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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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schon noch lernen.«
    »Warum tust du das?«
    »Was denn?«

    »Das.«
    Serpem verzog das Gesicht und seufzte, dann stand sie auf, nahm den Hasen, legte ihn in ein Gefäß und verschloss es mit einem Deckel. Langsam verschwand das Blut vom Tisch. Als würde es ins Holz sickern, das es wie ein Schwamm aufsog. Vela beobachtete Serpem, und für einen kurzen Moment glaubte sie, das schwarze Haar aufblitzen zu sehen, die Züge der Nacht in ihrem Gesicht, aber wenn sie die Augen zusammenkniff, um sich auf das Bild zu konzentrieren, wurde alles nur verschwommener.
    »Ich bin eine Hexe, ich zaubere, das war schon immer so, das ist nun einmal unsere Aufgabe und unser Talent.«
    »Dann bist du keine gute Hexe?«
    »Kind, es gibt keine guten Hexen, wer hat dir das nur erzählt?« Serpem setzte sich wieder an den Tisch und streckte die Hand aus, der Knauf des Schwerts wurde wärmer, bis er sich wie Feuer anfühlte. Vor Schreck ließ Vela es fallen, aber es berührte nicht den Boden, schwebte einfach über die Dielen zu Serpem, die es mühelos mit einer Hand ergriff und auf den Tisch legte.
    »Wirklich gut ist man nur, wenn man etwas für andere tut. Das tue ich nicht. Ich strebe nach Dingen, die ich will. Aber macht mich das gleich zu einem schlechten Menschen?«
    Mit hängenden Armen stand Vela vor ihr und wusste nichts zu sagen. Die Furcht ließ sie kaum atmen, dennoch konnte sie nicht weglaufen. Vielleicht hatte die Hexe sie auch verzaubert.
    »Setz dich, Vela.«
    Sie nahm auf der anderen Seite des liegenden Schwerts Platz. Eine weitere Handbewegung von Serpem, und eine dampfende Tasse Tee stand vor ihr. Misstrauisch sah Vela darauf.

    »Du kannst ruhig daraus trinken. Wenn ich euch etwas antun wollte, wäre das längst passiert.«
    »Kannst du alles so einfach herbeizaubern?«
    »Nicht alles, aber vieles.«
    Vela überlegte. »Könntest du auch den Königsschlüssel zurückholen?«
    Es dauerte eine Weile, bis Serpem antwortete. Sie verschränkte die Arme, und wieder hatte Vela das Gefühl, im Schein des goldenen Haares würden sich schwarze Strähnen bewegen.
    »Das nicht.«
    »Warum nicht?«
    Die Hexe musterte sie intensiv, dann lächelte sie und sagte: »Nun, das möchtest du gern wissen, nicht wahr? Du möchtest überhaupt eine Menge Dinge wissen.« Sie tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen. »Aber was habe ich davon, wenn ich dir mein ganzes Wissen preisgebe? Ich habe ja schließlich nichts zu verschenken, oder?«
    »Ich weiß nicht.« Vela blickte unsicher zu Serpem. Viel Geld hatte sie nicht - ob es reichte, um eine Hexe zu bezahlen? »Wie viele Münzen willst du denn für dein Wissen?«
    Serpem lachte. »Aber ich will doch kein Geld von dir. Nein, was soll ich damit anfangen, hier mitten im Wald? Geld ist für mich uninteressant.«
    »Was willst du dann?«
    »Das kommt darauf an, was du bereit bist zu geben.«
    »Zu geben?«
    Sie nickte. »Ja. Deine Gabe ist für mich nur interessant, wenn sie dir auch etwas bedeutet.«
    Velas Blick glitt zur Tür, hinter der der Setzkasten mit den
Körperteilen hing. Serpem wollte doch nicht etwa einen Zehennagel oder gar einen ganzen Finger von ihr?
    Panisch schloss sie die Hände zu Fäusten und legte sie in den Schoß. Hatten die früheren Besitzer der Ohren vielleicht ihre Körperteile verloren, weil sie Geschäfte mit der Hexe gemacht hatten? Doch keine Unfälle, wie sie behauptet hatte? Vela stellte sich vor, wie Serpem ihr mit einem Küchenmesser den kleinen Finger abhackte, ganz beiläufig, als gehörte er in eine Suppe, und ihr wurde flau im Magen.
    »Nun, kleine Vela, was ist?«
    Sie dachte an ihren Vater. Würde er sich den kleinen Finger für sie abschneiden lassen? Als Königsmechaniker brauchte er zehn Finger, und er lebte schon so lange nicht mehr im Dorf, dass er sie vielleicht gar nicht mehr so liebte wie in den Tagen, als sie noch ganz klein gewesen war und er sie auf seinen Schultern durch die Felder getragen hatte …
    Aber dann erinnerte sie sich daran, wie ihre Mutter immer sagte, wenigstens würde er Vela lieben, wenn er schon nicht zum Ehemann taugte, und das bedeutete vielleicht, dass er sich doch den kleinen Finger für sie abschneiden lassen würde.
    Zögerlich nickte sie, obwohl sie nicht recht wusste, wozu sie zustimmte, aber da stand Serpem auch schon auf und nahm eine lange Schere aus der Kommode. Die beiden Schneiden blitzten im Kerzenlicht auf, als Serpem sie Vela reichte. Dann stellte sie ein leeres Glas vor sie hin und sagte: »Da

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