Der Königsschlüssel - Roman
Kerker drohte und womöglich noch Schlimmeres. Vielleicht war es ihr ja deshalb egal, was dort mit den Menschen und dem Mechanischen König geschah.
»Kannst du mir wenigstens sagen, wem der Klippengeier gehört?«
»Aber ja.«
Vela wartete, die Hexe jedoch schwieg.
»Wem?«, rief sie genervt.
Serpem ging nicht auf sie ein, sondern stellte nur weiter ihre Gefäße in den Schrank.
»Hexe!«
»Es ist sehr unhöflich, die Menschen nicht bei ihrem Namen zu nennen. Nenn mich Serpem, das wäre wohl angebracht, wenn du schon mein Mittagessen genießt, nicht wahr?«
Dreimal atmete Vela tief durch, dann sagte sie so ruhig sie konnte: »Serpem, sag mir doch bitte, wem der Vogel gehört.«
»Na schön, ich sag es dir.« Sie lächelte, zögerte einen Moment und flüsterte dann: »Morgen.« Das Lächeln wurde breiter. »Heute habe ich keine Lust mehr dazu. Ihr könnt hier übernachten, und morgen könnt ihr euch dann überlegen, ob ihr die Reise fortsetzt oder doch lieber umkehrt.«
»Ich werde nicht umkehren!«
»Aber vielleicht wollen es deine Begleiter.«
Vela warf einen Blick zu Cephei und Urs, die sie nicht ansahen, sondern immer weiter Serpem anstarrten.
»Mir doch egal, dann gehe ich eben allein weiter.«
»Das kannst du nicht. Du wirst schon noch begreifen, dass man zu dritt mehr erreicht als allein.«
»Momentan sind die beiden keine große Hilfe«, murmelte Vela, und die Hexe lächelte wieder. Aber die anderen sagten nichts, ganz so, als hätten sie sie gar nicht gehört.
»Ruh dich ein bisschen aus, Vela, leg dich draußen in die Sonne und genieß die Ruhe. Ich rufe euch dann zum Abendessen. Schlaf dich aus, und morgen sehen wir weiter.«
»Ruhe habe ich da, wo ich herkomme, schon genug«, antwortete Vela, senkte aber den Kopf, denn Serpem war nicht beizukommen, sie gab einfach nicht nach. Noch einmal überlegte sie, ob sie einfach gehen sollte, aber die beiden anderen sahen nicht so aus, als würden sie sich in der nächsten Zeit irgendwohin begeben. Und es war mehr als fraglich, ob Morvan oder die Hexe sie lassen würden.
»Cephei, Urs«, sagte Serpem, »geht doch mit Vela ein bisschen auf die Lichtung oder spielt mit Morvan.«
Die beiden erhoben sich und rückten die Stühle zurecht, dann gingen sie Richtung Leiter. Wo hatten die beiden nur ihren Verstand gelassen? Sie gehorchten Serpem aufs Wort. Vela folgte ihnen, während Morvan wieder in ihrem Rücken stand, dieses Mal hielt er den Bogen jedoch gesenkt.
Als Vela den Waldboden erreichte, lagen die beiden anderen schon auf der Wiese und ließen sich von der Sonne bescheinen. Die Zweige und Blätter warfen dunkelgrüne Flecken auf ihre Gesichter, und es sah aus, als wären sie mit Schatten zugedeckt. Stumm setzte sich Vela daneben und starrte auf das Haus und den großen Vogelfuß, der es trug.
»Leg dich doch auch in die Sonne, das tut wirklich gut«, brummte Urs neben ihr.
»Mir wäre es lieber, wir würden gehen. Sofort.«
»Warum denn, Vela? Es ist doch sehr schön hier. Wir ruhen uns einfach einen Tag aus und ziehen morgen weiter. Ist doch nichts dabei.«
»Falls du es vergessen haben solltest: Serpem sammelt Körperteile. Auch von Elfen und Menschen!«
»Ich glaube nicht, dass sie böse ist«, mischte sich Cephei ein und bettete den Kopf auf Urs’ Bauch, der ihm als weiches Kissen diente. »Sie hat uns zu essen gegeben und lässt uns hier übernachten.«
»Und im Schlaf hackt sie uns vielleicht den Kopf ab, wer weiß«, flüsterte Vela, weil Morvan jetzt näher kam. Er trug seinen Bogen an der Seite und ließ sich in einigem Abstand zu ihnen nieder.
»He, Morvan, glaubst du, Serpem meuchelt uns im Schlaf?«,
fragte Cephei den Elfen, der daraufhin den Kopf schüttelte. »Siehst du, Vela, du brauchst gar keine Angst zu haben. Alles in Ordnung. Er kennt sie schließlich schon länger als wir.« Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Sie sparte sich eine Antwort, vielleicht war etwas im Essen gewesen, das den beiden völlig den Kopf verdreht hatte? Aber warum zeigte es dann bei ihr keine Wirkung?
»Weißt du«, begann Urs noch einmal, »ich glaube nicht, dass so eine nette Frau etwas Böses im Schilde führt. Sie ist doch wirklich freundlich, und sie hat so schöne grüne Augen.«
»Ihr Haar ist wundervoll«, flüsterte Cephei.
»Ja«, stimmte Urs zu. »Es sieht aus wie Sonnenschein.«
Die beiden lächelten sich an, als teilten sie ein Geheimnis, und verärgert begann Vela, Gras auszurupfen. Urs und Cephei
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