Der Kofferträger (German Edition)
wir uns wirklich nur zu einem privaten Gespräch getroffen hatten“, fuhr Schweiger fort, „der offizielle Anlass muss diesmal ins Wasser fallen.“ Jetzt lachte er doch wegen der doppelsinnigen Bedeutung. „Um Ihnen einen neuen Koffer zu übergeben, hätte ein anderes Gespräch zuvor stattfinden müssen, das mir aber abgesagt wurde. Pech für uns beide.“
„Was? Kein Transfer der grünen Scheine?“ stutzte Schütz. Beide nahmen das Leben wieder leichter.
Den Abend verbrachte Schütz im Hotelzimmer mit dem Studium und dem Dekodieren der seltsamen Schriftzeichen. Er verglich die Daten, Zahlen und Buchstaben. Bald hatte er ein komplettes Bild vor sich. Allerdings war dazu keine besondere Intelligenz erforderlich gewesen. Der Herr der Schriftzeichen hatte nur Abkürzungen und Namensverdrehungen benutzt. Die aber zeigten ihm an, wann er mit wem telefoniert hatte. Welche Geldsummen er von seinem Konto abgehoben oder bar entgegengenommen und sie gleichermaßen bar weitergeleitet hatte, konnte er ebenso entnehmen, wie Informationen darüber, zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort der Adressat in den Genuss gekommen war. Eine wahre Fundgrube bundesdeutscher Verkommenheit fand Schütz. Es waren nicht nur der Kanzler und einige seiner Minister namentlich aufgeführt. Industriebosse und Berater vor allem erfreuten sich seiner sorgfältigen Aufzeichnung. Es gab kaum eine größere deutsche Waffenfirma, die nicht mit großen Spendenbeträgen irgendwann aktiv geworden wäre.
Und sieh! Und sieh! An weißer Wand da kam's hervor, wie Menschenhand; Schütz dachte an die Ballade „Belsazar“ von Heinrich Heine.
Die Blätter der letzten Wochen zeigten die Geschäftsbeziehungen mit der „ MESF“. Er fand sich sogar selbst in dem Büchlein. Sein letzter Besuch war eingetragen unter dem Stichwort ‚Nic Säuberung‘. Wohl seine individuelle Sprachwandlung für ‚Bestechung zur Nicoclean Einführung‘ oder ähnlich. Und ebenso der heutige Tag war bereits berücksichtigt mit den Hieroglyphen ‚Nic.Säuberung. Folglich sollte er noch einmal wegen dieser Angelegenheit Bares nach Berlin bringen. Umso verblüffender schien Schütz die offiziellen Weigerungen der MESF zur Institutsgründung. Die Schmiergelder lagen jetzt bereits im Gegensatz dazu. Erkennbar war darin ein durch und durch abgekartetes Spiel.
Witzig war die Pfadfinder Sprache in den Notizen. Schweiger war erkenntlich seinem pubertären Abenteuerdrang nicht entwachsen. Hier ‚rauchte‘ es aus dem kleinen Büchlein nach ‚mächtigen Signalen‘, dort wurden die Rauchfahnen zu ‚kriegerischen Feuerzeichen‘ und da saß man beisammen und zog an der ‚Friedenspfeife‘. Bald lasen sich die Unterlagen, wie ein spannender Kriegsroman aus den amerikanischen Indianerkämpfen. Mit derartigen Worten hatte Schweiger seine Notizen aufgefüllt. „Rückzug von MESF gefordert, Kampfansage an die italienische Mafia der PCG, Polen scheinen auf der Flucht, Führung in Berlin wittert Spionageverrat, Friedenspfeife mit den Häuptlingen geraucht“.
Nur eines leuchtete hell wie der Sonnenaufgang aus den Notizen. Dem Kanzler bedeuteten die Dienste des Spesenvermittlers Schweiger das Gleiche wie die Dienste der fünften Kolonne in einem Feldzug. Ohne sein Dazutun wären viele Geschäfte nicht gelaufen. Zu Hause würde er die Daten vergleichen und mit anderen zusammenfügen müssen, um sich ein Gesamtbild zu verschaffen. Die Kopien als solche hatten eher keine Beweiskraft, rundeten aber das Gesamtverständnis ab.
Nachdem er sein Interhandy aufgeladen hatte, fuhr er die Verstärkerantenne aus und suchte nach der Sendefrequenz des kleinen Spiegels. Es funktionierte brillant. Von den beiden Seiten, zwischen denen die Karte lag, erhielt er die klaren schriftlichen Informationen wieder gegeben. Von nun an könnte er den Terminkalender des Kanzlerpartners überwachen. Was würden ihm die aktuellen Informationen demonstrieren?
29 Estancia Carlos
In welche G efahren würde ihn dieser Offshore-Trip bringen?
In ‚Paraíso‘ im Herzen der Gartenlandschaft von Paraguay fanden außerhalb des Versammlungsraumes des deutschen Klubs in stockdunkler Nacht ein paar Männer und Frauen einen verletzten Mann im Gras. Er blutete aus einigen Wunden und war bewusstlos. Sie schleppten ihn in die Küche ihres Vereinshauses, legten ihn auf einen ausgezogenen Tisch, wo er von einem anwesenden Arzt versorgt wurde. Das Verbrechen machte schnell die Runde. Herr Jürgen Schütz, einer der beiden
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