Der Kofferträger (German Edition)
versuchte Alberta, sich an seine eigenen Ziele zu erinnern.
„Lasst mir den deutschen nicht aus den Augen“, rief er seinen Kumpanen zu. „Er wird diesen Ort nicht verlassen.“
Der ehemalige Geheimdienstler hatte ein feines Gefühl für sich anbahnende kritische Situationen entwickelt. Eindeutige Worte und Lenkungsverhalten brauchte er nicht, um sich entsprechend zu bewegen.
Der Alkohol hatte die Vernunft der Gesellschaft längst ausgeschaltet. So sah er es. Die Kräfte der Männer, Freunde des Bräutigams und der Braut, wuchsen andererseits mit der Zunahme der Getränke, wenn sie nicht zu viel tranken. Allerorts waren sie schnell der Überzeugung, Pedro hätte schon längst eine Abreibung verdient. Hilflos rannten seine Kumpane zwischen Atom und einer möglichen Prügelei ihres Anführers mit der Truppe des Bräutigams hin und her. Führerlos entschieden sie sich hektisch mal für die eine, mal für die andere Seite. Letztlich waren sie nirgendwo rechtzeitig zugegen, so beobachtete es Atom. Die Gummiknie des Pedro Alberta trugen beim Hinausgehen zu schwer an dem fettleibigen Körper. Nach wenigen Augenblicken lag er, wie einst Schütz, stöhnend hinter dem großen Versammlungshaus, von der Nacht dunkel gewandet, auf einer Wiese. Seine Freunde waren entflohen. Zu groß und zu mächtig schien ihnen die gegnerische Freundesschar.
Aus einer Baumreihe abseits des Gebäudes hatte eine schattenhafte Figur den Zustand des Pedro beobachtet. Sie hielt sich versteckt und wartete geduldig den Ausgang der Prügelei ab. Der Mann schaute sich ein paar Mal schnell um und sicherte das Gelände. Die Handlungen des geheimnisvollen Fremden zeugten von außergewöhnlicher Erfahrung und Routine. Er tastete den Baum neben sich ab. Als er das schmale Gefäß ergriffen hatte, öffnete er den sicheren Verschluss. Vorsichtig griff er mit seinen überlang behandschuhten Händen hinein und holte eine etwa einen Meter lange Schlange mit festem Griff an ihrem Hinterkopf heraus. Zischend öffnete sie ihr Maul und die gespaltene Zunge flatterte nach einem Opfer suchend. Der lange Schwanz wand sich um den Unterarm ihres Dompteurs.
„Spiele Schicksal“, flüsterte er mit einem von der Dunkelheit verzehrten Grinsen.
Ohne zu zögern und als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, drückte er hinter den Kopf der äußerst giftigen ‚Jarará‘. Er versuchte, sie dem Trunkenbold in die rechte Hand zu pressen. Als würde die giftige Schlange dem giftigen Pedro Freundschaft beweisen wollen, verweigerte sie den tödlichen Biss. Er nahm sie noch einmal zurück, überprüfte den Griff um ihren Kiefer und drückte das Reptil erneut auf die fleischige Hand seines Partners. Die Injektionsnadeln der Giftzähne drangen in das Fleisch des Alberta. Tief hinein. Atom hatte sich informiert. In Sekundenschnelle fuhr der tödliche Saft unter die Haut. Der Gebissene merkte in der Regel noch nicht einmal etwas von dem Angriff. Mit einem Messerknauf schlug Atom der Schlange anschließend auf den Kopf, bis sie verendet war. Die tote ‚Jarará‘ drapierte er neben dem Opfer. Das Messer, dessen Griff er noch zuvor wegen der Abdrücke zwischen die Finger des Alberto gepresst hatte, warf er wie aus der Hand gefallen neben das Reptil.
Alles zusammen sollte später den eindeutigen Grund für das Unglück belegen. Atom hockte noch ein paar Minuten bei seinem Opfer. Aus einem leichten Stöhnen des Ohnmächtigen erkannte er, wie froh der Gebissene im Grunde war, aus der Wirklichkeit dieses Lebens entschwinden zu können. Nach kürzester Zeit würde sein Blut gerinnen. Aus Nase und Schleimhäuten würde sich schon bald der rote Saft herauspressen. Alberta würde in Kürze das Zeitliche segnen. Atom warf den verräterischen Behälter in sein Auto und kehrte zufrieden in das Haus zurück. In der Toilette ließ er die Handschuhe im Klobecken verschwinden. Trotz ihrer Festigkeit würden sie sich nach ein paar Minuten in dem Wasser auflösen und keine Spuren hinterlassen. Der erfahrene BND-Mann eilte zu der Hochzeitsgesellschaft zurück.
Die Aufregung um den toten Alberta wurde nur noch übertroffen durch die Verblüffung über die in seiner Nähe gefundene Giftschlange. Zwar war allenthalben bekannt, dass ab und an die ‚Jarará‘ auftauchte, doch sie hatte bisher noch niemanden aus den Dörfern tödlich verletzt. Eine Weile gaben die Menschen wieder mehr Acht auf giftige Schlangen. Bald würde dieses Ereignis nur noch den Kindern erzählt werden.
Mit seinem
Weitere Kostenlose Bücher