Der Kofferträger (German Edition)
Seil unter der Dachkante hängen. Niemals könnte sich ein Mensch so lange an einem dünnen Seil festhalten. Dann sah sie die Dachziegel durch die Luft fliegen und hörte den Aufprall in zwanzig Meter Tiefe. Bald darauf war Jürgen über dem Dach verschwunden.
Ihr blieb nur noch übrig zu warten. Sie schaute sich um. Ihre größte Angst konzentrierte sich auf andere Feinde, die nun auftauchen würden. Selbst dem tot auf dem Boden liegenden Wächter traute sie nicht. Er glotzte sie mit seinen hervortretenden Augen an. Blanke Angst griff nach ihrem Nacken.
Auf dem Dach erkannte Jürgen, wie winzig die angebliche Burg war. Das Ganze schien nachgebaut. Zwar im mittelalterlichen Stil, aber als reiner Festungsklotz. Ein Kerker der Mafia, war sein erster Gedanke.
Er löste seine Leine und warf sie diesmal um den ihm zugewandten Pfosten des kleinen Glockenturmes, dann zog er sich daran hoch. Die Ziegel unter seinen Füßen knirschten. Von dem feuchten und glitschigen Morgentau rutschte er ein paar Mal leicht aus, hielt sich aber immer wieder. Endlich konnte er sich an der Balkenkonstruktion des kleinen Turms festklammern und atmete erst einmal tief durch. . Die Glocke dürfte nicht in Schwingungen geraten. Unglücklicherweise stand der Zugarm der Glocke mit dem Strick weit nach draußen zur anderen Seite hin. Von keinem Standort am Turm könnte er den Knoten des Seiles lösen. Er müsste die Glocke bewegen, um diesen Zugarm herunter zu ziehen. Dabei könnte der Schlägel anschlagen und die Besatzung wecken.
Jürgen sicherte sich mit seiner Leine, zog sein e Jacke aus, wickelte sie um den Schlägel und knotete die beiden Ärmel fest darum. Jeder Schlag war jetzt zumindest abgedämpft. Langsam bewegte er das Gelenk am Glockenstuhl und zog die Glocke zu sich heran. Der Klangkörper vibrierte und gab ein brummendes Geräusch von sich wie bei einem Sturm. Die Glocke war zu schwer, als dass er sie mit dieser Technik jetzt weit genug nach oben bewegen konnte. Er legte sich unter sie auf das abgeflachte obere Ende des Daches und drückte sie mit seinen Füßen weiter nach oben, bis er das geknotete Ende der Leine erreichen konnte. Der Knoten hatte sich seit Jahren durch den Gebrauch immer fester gezogen. Das Aufknoten schien unmöglich. An dem Schlüsselbund des Wächters hatte er ein winziges Taschenmesser entdeckt. Jürgen zog es zu sich heran, öffnete die Schneide und trennte das Ende des Seils durch. Die schwere Leine sackte sofort ab, und das lose Ende sauste nach unten. Jürgen versuchte spontan es zu erwischen und kippte dabei über das Dach.
Corinna hörte das Schlagen und Rutschen. Ihr Herz raste. Was hätte sie jetzt noch von der Mafia zu erwarten?
52 Intercom AG
Bald müsste das Bemühen Dr. Horst, den Prozess in die Länge zu ziehen, dem letzten der Beteiligten klar sein.
„Die ‚Intercom AG‘ operiert in Deutschland, in der Schweiz, in Luxemburg und in Liechtenstein. Ihren gut verborgenen Sitz hat sie an einem fremden Ort. Dort haben unsere Rechercheure das tragende Dokument ausgegraben.“
Über einen Sicherheitskanal hatte er fernmündlich und in knappen Worten diese Daten erhalten. Schriftlich hatte er noch nichts.
„Wer aber sind die Eigner der ‚Intercom.‘? Öffnen wir die mit Geheimnissen umwitterte Schlangengrube der sprudelnden Geldquelle. Mit den Erfolgen dieser Recherche schließt sich der Kreis auf ungeahnte Weise. Halten Sie sich alle sehr gut fest, bevor wir abheben. Die Nachforschungen nach der ‚Intercom AG‘ öffnen die Büchse der Pandora, die Unheil über das Land brachte.
Die tragenden Säulen dieser mysteriösen Firma sind ausschließlich vier Personen. Ich zähle auf:
Herr Schweiger, Helga Görres, Ingrid Terstegen und Marga Krämer.“
Die Enttäuschung im Saal wurde hörbar. Niemand konnte mit den Namen der Gesellschafter etwas anfangen. Der Staatsanwalt fuhr fort.
„Herr Schweiger ist ein Unternehmenshändler, der sich zurzeit im Ausland vor den deutschen Behörden versteckt hält. Nach unserer Recherche hat Herr Schweiger allein in den letzten zwei Jahren mindestens fünfzehn Mal persönlich mit dem Herrn Bundeskanzler konferiert. Von ihm wurden in metallenen Koffern dieser Art“, Dr. Horst hielt einen goldgelb leuchtenden Aktenkoffer für alle sichtbar in die Höhe, „viele zehn Millionen DM an den Parteivorsitzenden weitergeleitet. Es entbehrt nicht einer gewissen Brisanz zu sagen, der Kofferträger war Herr Jürgen Schütz.
Die zweite
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