Der Kofferträger (German Edition)
lautlos immer wieder eine Buchstaben- und Zahlenkombination vor sich hin. Er wollte sie nicht vergessen. Nur am Rande bemerkte er, wie Schikowski mit den Armen fuchtelnd auf einen Mitarbeiter einredete. Der Mann trennte sich schließlich von ihnen und lief davon. Bei der Abkürzung gingen sie durch uninteressantes Fabrikgelände und stießen schließlich auf das letzte offen stehende Tor. Schütz schickte sich an, durch den großen Bogen hindurchzugehen, als er sich noch einmal umschaute und nach seinem Begleiter, Dr. Westenhagen, fragte. In demselben Augenblick rasselte ein mächtiges Gittertor wie das Falltor einer mittelalterlichen Burg zu Boden. Schütz verspürte noch den Lufthauch der spitzen Eisenstäbe, die an ihm vorbei rasten und er sprang entsetzt zur Seite. Schikowski eilte drei Sekunden später zu ihm.
„Mein Gott sind Sie verletzt?“, rief er entsetzt und schaute Schütz an. „Ich fürchtete schon, das Tor hätte sie erschlagen. Welch eine Unvorsichtigkeit meiner Mitarbeiter.“
Schütz blickte atemlos auf die schweren Eisenstäbe, die mit ihren Spitzen auf dem Boden aufgesetzt hatten.
„Sie hätten mich erschlagen“, brüllte er den Chemiker an. In den Augen Schikowskis entdeckte er gespieltes Entsetzen.
Die Besichtigung war ohnehin beendet, und sie kehrten zu Dr. Westenhagen zurück. Der Chemiker entschuldigte sich noch einmal, seine größte Sorge schien zu sein, einen Rüffel aus Berlin über den Umweg seiner Geschäftsleitung zu bekommen.
„Was war eigentlich bei diesem plötzlichen Durcheinander los“, fragte Karlheinz neugierig. „Was murmelst du da pausenlos vor dich hin? Hat dich der intensive Geruch deiner Marke endgültig verwirrt?“ Sie waren längst aus dem Fabrikgelände herausgefahren.
„Schreib auf“, befahl Schütz unhöflich und murmelte weiter.
Karlheinz blickte ihm während der Fahrt auffallend in die Augen, bis das Gemurmel von Schütz lauter wurde. Nacheinander hörte er dieselben Zahlen und Buchstaben und brachte sie zu Papier.
„C 14 H 19 NO 2 HCL.“
„Hör endlich mit dem Zeugs auf. Ich hab es notiert. Ich lese mit dir. C 14 H 19 NO 2 HCL“
„ Gut steck den Zettel in meine Jackentasche.“
Karlheinz schaute ihn an, als wäre er durchgedreht, tat aber wie befohlen. Erst jetzt berichtete Schütz von den abenteuerlichen Geschehnissen, die sich ereignet hatten.
„Und was willst du damit?“, fragte Karlheinz. Chemische Formeln findest du in jedem Werk, die meisten von ihnen sind sogar veröffentlicht. Erst recht, wenn irgendein Verfahren patentiert ist.“
„Mich interessiert nicht die chemische Formel als solche, sondern die Tatsache, dass sie da ist.“
Karlheinz schaute ihn zweifelnd an und murmelte „Ihn interessiert nicht die chemische Formel als solche, sondern die Tatsache, dass sie da ist. Das verstehe, wer will.“
„Nimm es mir nicht übel. Ich glaube, du hast mir sehr geholfen.“
„Ich dir, womit denn? Bisher dackel e ich nur neben dir her und habe einen meiner kostbaren Urlaubstage verschenkt.“
„Ich glaube, ohne deine Anwesenheit wäre ich nicht so erfolgreich gewesen, danke Karlheinz. Ich werde dir später mehr sagen können. Wenn ich noch ein paar Fragen habe, kann ich dich sicher anrufen.“
„Was hat meine Anwesenheit damit zu tun?“
„Es gibt Dinge, die wagt man nur in Anwesenheit eines anderen.“
„Gut, so“, erwiderte Karlheinz zynisch, „vielleicht kann ich dir noch einmal nur durch meine Anwesenheit nützlich sein.“
Und tatsächlich fragte sich Schütz selbst, ob er die Erkenntnisse je gebrauchen könnte.
10 Bedeutende Konferenz
Was würde ihm die Konferenz mit den hohen Herren bringen? Käme er heute auch nur einen Schritt weiter?
Er war einer der mächtigsten Männer der Republik. Der Vorstandvorsitzende der MESF AG, Dr. Ferdinand Dietrich hatte dennoch nur zwei engste Mitarbeiter in seiner Begleitung. Seinen Pressereferenten Pietsch und den Fachleiter des neuen Produktes, Gerhard Merker. Auf Regierungsseite waren H.B., der Gesundheitsminister Dr. Franz Schmittger und Jürgen Schütz anwesend. Das Protokoll führte die Büroleiterin Frau Hubert. Im sechsten Stock des Kanzleramtes, in einem Konferenzraum, der eigens für vertrauliche Gespräche vorbereitet war, hatte man sich eingefunden.
„Gehen Sie davon aus, dies ist eine reine Informationsrunde, die keine Entscheidungskompetenz hat“, eröffnete H.B. die Runde. „Wir müssen uns schlaumachen, bevor wir gewisse Themen überhaupt
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