Der Kofferträger (German Edition)
bekämpft gleichzeitig seine Depressionen und seine Aggressivität, er wird quasi ruhiggestellt.“
„Wieso Depressionen. Bekommt man von ‚ Happy Hour ‘ Depressionen? Muss er sich nach der Zigarette ruhigstellen lassen? Was ist das für ein nebulöser Kampf, den Sie gegen den angeblich harmlosen Qualm einer Zigarette inszenieren.“
„Sie wissen genau, ich rede von Entzugserscheinungen.“
„Die mögen in den Wirkungen über das Nikotin der Zigarette hinausgehen, nicht wahr?“
„Solche Amphetamine sind immer irgendwie beeinflussend.“
„Wie bitte, was ist es? Haben wir es mit einer Droge zu tun?“, fragte Schütz provokativ.
„Ein Mittel hilft dem Raucher , sich von seiner Sucht zu befreien. Gleichzeitig verhindert es schlimmere Folgen“, dozierte Dr. Merker, „das ist alles.“
„Braucht unser ‚ Happy Hour ‘ Raucher anschließend eine Droge um sich die Gifte der ersten Droge auszuwaschen? Der Patient ‚Raucher‘ ist eine gute Kuh zum Melken, wie der Autofahrer für die Kraftfahrzeug- und Kraftstoffsteuer“, doch ihm hörte schon keiner mehr zu. Da stellte er eine neue Frage.
„Was sagen Sie denn als Experte dazu, wenn die empfindlichen Neuronen zu viel der Neurotransmitter in speziellen Fällen synthetisieren und sie in die Synapse ausstoßen? Wenn sie noch dazu diesen empfindlichen Weg in zusätzlichen Chemikalien Stunden lang baden und mit ihnen überschwemmen?“
In die Sprachlosigkeit des wissenschaftlichen Gremiums hinein bot Schütz eine weitere Zigarette an. Dann grinste er.
“Ich habe mich nur ein wenig vorbereitet. Stimmt es etwa nicht, dass schon das Nikotin in den Gehirnen wie ein aggressives chemisches Bad die biochemischen Vorgänge durcheinanderwirbelt? Wie katastrophal wird dann erst eine richtige Droge wirken, wenn sie mit zusätzlichen Chemikalien an den empfindsamen Nervenzellen frisst?“
Für Professor Merker war es dringend an der Zeit, frische Luft zu tanken. Aus dem Fenster schauend entdeckte ihn Schütz wenige Augenblicke später im Kanzlergarten gar nicht so fröhlich an der Spree entlang frustwandeln. Mit fahrigen Bewegungen suchte er Halt an einem Baum.
Den gerade einmal fünfunddreißigjährigen Schütz bewegte vielmehr die Sprachlosigkeit seines Kanzlers. Bei seiner glorreichen Amtseinsetzung hatte er auf das Grundgesetz geschworen, Schaden vom Volk abzuwenden. Nun fragte er noch nicht einmal nach Nebenwirkungen, die bei nahezu jedem Medikament aus der Pharmaindustrie dem Patienten Kummer bereiteten. Wie bei vielen anderen Gelegenheiten saß er diese Entscheidung einfach aus. Schütz blieb der Einzige, der auf den Antworten zu solchen Fragen beharrte, rannte aber mehr und mehr gegen eine undurchdringliche Betonwand. Dennoch wagte er eine weitere Frage, als der Experte Professor Merker in den Raum zurückgekehrt war.
„Welche medizinischen Nebenwirkungen gibt es denn nun? Wenn die Raucher in größeren Mengen das Medikament „Nicoclean“ nehmen, über eine längere Zeit hinweg, mit welchen Schäden müssen sie rechnen? Gibt es dazu Langzeitstudien?“
„Ich sagte Ihnen schon, es gibt keine Nebenwirkungen. Wir haben es an Ratten ausprobiert.“
„Oh, ich wusste gar nicht, dass die Ratten rauchen.“
„Junger Mann“, der Professor setzte eine wissenschaftliche Miene auf. „Ich bin auf diesem Gebiet Experte. Sie können mir glauben.“
Der Vorstandsvorsitzende Dr. Ferdinand Dietrich war ein Manager, wie man ihn in der Öffentlichkeit gerne sah. Seriös, mit ernstem Gehabe, die unzweifelhafte Glaubwürdigkeit als Spiegel in seinem Gesicht tragend.
„Niemals käme es uns in den Sinn, der Bevölkerung irgendeinen Schaden zuzufügen“, versicherte er aus der Festigkeit seines dunklen Anzugs heraus. Schütz nahm wahr, wie der Vorstand der MESF lächelnd verbal eine zuckersüße Praline anbot, mit seinen Gedanken aber Gift versprühte.
Im Verlauf des weiteren Gespräches präsentierten die Herren aus der Chemie Marktanteile, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Macht, schließlich sprachen sie von der Erweiterung des politischen Einflusses in Europa und der Welt. In diesen Themen fühlte sich der Kanzler eher zu Hause.
„Wer wagt es denn im Sinne unseres demokratischen Staates, im Sinne des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland, im Sinne des wirtschaftlichen Wachstums den Amerikanern oder Japanern den Markt zu überlassen? “, ergänzte Dr. Dietrich.
Bei seinen Worten ließ er keinen Zweifel und keinen Widerspruch aufkommen. Es gab
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