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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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Chee kam ziemlich niedergeschlagen aus dem Untersuchungsraum der Fachärztin im Verbrennungs-und Traumazentrum der Universitätsklinik von New Mexico geschlurft. Die Ärztin hatte sich nicht eindeutig zu den Heilungschancen seiner Hand äußern wollen. Dann wurde er auf eine Frau aufmerksam, die an einer Wand des Wartezimmers saß. Irgendwas an ihr erinnerte ihn an Janet Pete. Sie war in eine Ausgabe von Newsweek vertieft und hielt den Kopf gesenkt, so daß ihr rabenschwarzes glattes Haar das Gesicht verdeckte. Ihre sehenswerten schlanken Beine waren lässig übereinandergeschlagen. Er blieb stehen und starrte sie an. Als sie umblätterte, bekam er endlich ihr Gesicht zu sehen.
    Seine Niedergeschlagenheit wich freudigem Staunen. Es war Janet Pete!
    »Hallo, Janet«, sagte er überrascht. »Was machst du denn hier?«
    »Ich hab' auf dich gewartet«, antwortete Janet Pete. Sie stand lächelnd auf. »Ich wollte mal sehen, wie du getoastet aussiehst.«
    »Keine große Verbesserung«, sagte Chee und hielt die verbundene Hand hoch. Dann legte er seinen gesunden Arm um sie.
    Sie umarmte ihn ebenfalls und schlang ihre Arme um seinen verbrannten Oberkörper.
    »Aua!«
    Janet wich erschrocken zurück. »Oh, entschuldige!«
    »Ich versuche bloß, Mitleid zu schinden«, sagte Chee schweratmend.
    » Ich hab' nicht gemerkt, daß du unter dem Hemd einen Verband hast«, sagte Janet reumütig.
    »Das Bein ist auch verbunden«, erklärte Chee und tippte grinsend auf seinen Oberschenkel. »Die Ärztin hat gesagt, daß ich insgesamt gut durch bin. Medium sozusagen.«
    »Ich hab' erst gestern davon erfahren«, berichtete Janet. »Es ist während meines Umzugs passiert. In Washington gibt's Tag für Tag so viele Morde, daß einer hier draußen keine Zeitungsmeldung wert ist. Nicht mal, wenn der Tote ein Polizeibeamter ist.«
    »Ich hab' gehört, daß du heimgekommen bist«, sagte Chee. »Oder jedenfalls beinahe. Ich wollte dich aufstöbern, sobald ich diese Verbände losgeworden bin.« Er blickte zu ihr hinunter und war sich dreierlei Tatsachen bewußt: daß er wie ein Schimpanse grinste, daß die Krankenschwester am Empfang sie beobachtete - und daß Janet seinetwegen hergekommen war. »Aber wie hast du mich gefunden?«
    »Ich habe deine Dienststelle in Shiprock angerufen. Dort hat man mir gesagt, daß du Genesungsurlaub hast. Nebenbei habe ich dann noch erfahren, daß du heute zur Untersuchung bestellt warst.« Sie tippte sanft gegen seinen Verband. »Geht's dir schon besser? Kommt alles wieder in Ordnung?«
    »Im Prinzip heilt alles ganz gut - bis auf die Hand. Aber die Ärzte glauben, daß sie auch wieder wird. Wahrscheinlich. Oder jedenfalls soweit, daß ich sie gebrauchen kann.« Er zog sie mit sich zum Ausgang. »Komm, laß uns hier abhauen! Hast du Zeit für einen Kaffee?«
    Janet Pete hatte Zeit.
    Auf dem Weg vom Krankenhaus über das Universitätsgelände zum FrontierRestaurant sprach Janet vorsichtig Nez' Tod an und spürte, daß Chee noch nicht darüber reden konnte. Er interessierte sich dafür, weshalb Janet ihren Job in einer Anwaltskanzlei in Washington aufgegeben hatte und heimgekehrt war, und merkte rasch, daß dies eher ein Thema für später war. Und so verfielen sie bei ihrem Spaziergang durch einen milden Morgen in Albuquerque darauf, gemeinsame Erinnerungen auszugraben.
    »Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?« fragte Janet lachend. »In San Juan im Gefängnis! Du hast versucht, meinen Mandanten in Haft zu behalten, ohne etwas Konkretes gegen ihn in der Hand zu haben. Und ich war zu Recht darüber empört. Erinnerst du dich noch?«
    »Ich erinnere mich, wie ich dich damals überlistet habe«, antwortete Chee.
    »Das hast du nie!« widersprach Janet energisch. Sie lachte nicht mehr und blieb ruckartig stehen. »Was soll das heißen? Wie willst du mich überlistet haben?«
    Chee sah sie grinsend an.
    »Wie meinst du das?« fragte Janet scharf.
    » Weißt du noch, wie du deinen Klienten aus dem Bezirksgefängnis geholt hast? Er hatte den Beutel mit seinen persönlichen Sachen schon wieder zurückbekommen, als du mich plötzlich verdächtigt hast, ich wollte ihn im Vernehmungsraum zu belastenden Aussagen verleiten. Als du dann rausgegangen bist, um dich beim FBI über mich zu beschweren und meine Abberufung zu fordern, hast du deinen Mandanten sicherheitshalber mitgenommen.«
    Janet runzelte die Stirn. »Ja, das weiß ich noch«, sagte sie. »Der leitende FBI-Agent hat mir bestätigt, du seist keineswegs

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