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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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würde. Aber wenn man dem Zufall eine Chance gab, wurde man manchmal belohnt.
    Seine eigentliche Hoffnung bestand darin, einen Zeugen zu finden. Das FBI schien der Überzeugung, der Fall sei so gut wie abgeschlossen, und hatte sich deshalb nicht die Mühe gemacht, nach Zeugen zu suchen. Andererseits wurden diese schlaglöcherübersäten Wege - die in Wirklichkeit kaum mehr als meilenlange Zufahrten waren - so selten von fremden Fahrzeugen benutzt, daß die Anwohner sich an sie erinnerten. Der Besuch eines Fremden bei irgendeinem Nachbarn auf derselben Seite des Berges war eine kleine Sensation.
    Obwohl Ashie Pinto ungefähr vier Meilen von der Straße entfernt wohnte, war sein Haus bedauerlicherweise das erste an diesem Weg. Mary Keeyanis Anwesen, wo er jetzt gleich parken würde, bestand aus mehreren Hütten, die fast eine Meile entfernt außer Sichtweite um einen gemeinsamen Hogan gruppiert waren. Es war reiner Zufall gewesen, daß ihre jüngste Tochter, die beim Schafehüten helfen wollte, die Staubwolke des Fahrzeugs beobachtet hatte, von dem Pinto abgeholt worden war. Außer ihr war sonst niemand dagewesen, der etwas hätte sehen können.
    Der Lieutenant unterdrückte ein Gähnen. Es war schon fast Abend. Ein langer Tag. Er war müde. Er war über 250 Meilen gefahren - und diese Strecke in Begleitung zweier fremder Frauen war anstrengender als in seiner gewohnten Einsamkeit. Und bevor er für heute Schluß machen konnte, mußte er weitere vier Stunden nach Window Rock zurückfahren.
    Ein vergeudeter Tag. Nichts erreicht. Oder fast nichts. Er hielt vor Mary Keeyanis Haus, einem verwitterten großen Wohnwagen auf einem Fundament aus Hohlblocksteinen. Sobald die Sache abgeschlossen war, konnte er sich wenigstens von seiner Verantwortung gegenüber der Familie befreit fühlen
    - und dann war er auch diese beiden Frauen los.
    »Mrs. Keeyani«, fragte er, »für wen hat Hosteen Pinto sonst noch gearbeitet? In den letzten Jahren, meine ich. Außer für Dr. Bourebonette.«
    Mary Keeyani, die neben ihm saß, sammelte gerade ihre Sachen ein.
    »Früher hat er für einen Mann aus Tucson gearbeitet. Einen gewissen Dr. Drabner. Aber dieses Jahr nicht mehr, mein' ich. Und dann war da noch dieser alte Professor von der University of Utah. Seinen Namen hab' ich vergessen, aber er sprach ziemlich gut Navajo.«
    »Wahrscheinlich Dr. Justin Milovich«, sagte Bourebonette. »Er war Linguist.«
    »Milovich«, bestätigte Mrs. Keeyani. Sie stieg aus dem Wagen und wurde von drei an ihr hochspringenden Hunden kläffend und schwanzwedelnd begrüßt. »Das war sein Name.«
    »Noch jemand?«
    »Sonst weiß ich niemanden mehr.«
    »Was ist mit diesem Geschichtsprofessor von der University of New Mexico?« fragte Bourebonette. »Tagert. Was ist mit Tagert? Hosteen Pinto hat früher häufig mit ihm gearbeitet.«
    »Aber jetzt nicht mehr«, stellte Mary Keeyani fest. Ihre Miene und ihr Tonfall warfen eine Frage auf, und Professor Bourebonette stellte sie.
    »Ist etwas passiert?«
    »Er hat meinem Onkel Whiskey gegeben.«
    »Oha«, sagte Bourebonette. »Dieser Dreckskerl!« Sie wandte sich an Leaphorn. »Wenn er trinkt, verliert er völlig die Beherrschung.«
    »Ich hab' diesem Mann gesagt, daß er meinem Onkel niemals Whiskey geben soll, aber er hat's trotzdem getan«, berichtete Mary Keeyani weiter. »Als er dann letztes Mal wegen weiterer Arbeit geschrieben hat, hab' ich ihm den Brief nicht mal vorgelesen. Ich hab' ihn einfach zerrissen. Und ich hab' mir von meinem Onkel versprechen lassen, daß er nie wieder für ihn arbeiten würde.«
    »Wann war das?« fragte Leaphorn. »Letztes Jahr. Im Frühjahr.«
    »Wann haben Drabner oder Milovich sich zuletzt gemeldet? Wissen Sie das noch?«
    » Von Milovich hat er lange nichts mehr gehört«, antwortete sie. »Drabner hat ihm im letzten Winter geschrieben. Vielleicht auch schon im Herbst. Der Brief lag in der Blechdose.«
    Sie waren wieder auf der U.S. 89 nach Süden in Richtung Tuba City unterwegs - Bourebonette und der Lieutenant -, als die Abzweigung nach Short Mountain ihn an den alten McGinnis und seinen Laden in Short Mountain erinnerte.
    Leaphorn nahm den Fuß vom Gas und sah zu der Professorin hinüber. »Ich denke gerade an die Flasche Whiskey, die Ashie Pinto bei sich hatte, als er von Chee verhaftet wurde. Wissen Sie noch, was Mary Keeyani von diesem Historiker aus New Mexico erzählt hat, der ihm Whiskey gegeben hatte?«
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, bestätigte sie.

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