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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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lange Schreibtische geteilt wurde. Überall lagen und standen Bücher, füllten die wandhohen Regale, stapelten sich auf Stühlen und quollen aus unordentlichen Stapeln auf den Schreibtischen. Am vorderen Schreibtisch bearbeitete ein weibliches Wesen, das Chee den Rücken zukehrte, mit zwei Fingern eine Schreibmaschine.
    Chee klopfte an.
    »Er ist immer noch nicht da«, sagte die Frau, ohne sich nach ihm umzusehen. »Wir haben noch nichts von ihm gehört.«
    »Ich suche Professor Tagert«, erklärte Chee ihr. »Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?«
    »Keine Ahnung«, antwortete sie. Dabei drehte sie sich um und musterte Chee über ihre Lesebrille hinweg. »In welchem Semester sind Sie?«
    »Ich bin ein Cop«, sagte er, fischte seinen Dienstausweis aus der Tasche und gab ihn ihr. Diesmal hatte er nichts zu befürchten, falls sich das Bureau darüber beschwerte, daß er sich in einen FBI-Fall eingemischt hatte. Schließlich würde er ohnehin kündigen.
    Sie begutachtete den Dienstausweis, dann Chee und zuletzt seine dick verbundene Hand. Sie war eine mollige Endzwanzigerin mit rundem, gutmütigem Gesicht, die ihr braunes Haar ziemlich kurz trug.
    »Im Dienst?«
    Clever, dachte Chee. »Mehr oder weniger«, behauptete er. »Ich bearbeite einen Fall, der einen Mann betrifft, mit dem Dr. Tagert beruflich zu tun hatte. Ich wollte mal hören, was Dr. Tagert mir über ihn erzählen kann.«
    »Um wen handelt es sich denn?« Sie lächelte zu ihm auf und zuckte mit den Schultern. »Vermutlich geht mich das nichts an. Aber ich bin Tagerts Assistentin. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    »Wo dürfte Tagert um diese Tageszeit zu finden sein?«
    Sie lachte. »Das weiß ich leider auch nicht. An sich müßte er dort drüben sitzen...« Sie deutete auf den zweiten Schreibtisch. »... und seine Sprechstunde abhalten. Und er hätte schon letzte Woche hier sein müssen, um seine Vorlesungen zu halten. Und vorletzte Woche, um an der Fachbereichskonferenz vor Semesterbeginn teilzunehmen. Kein Mensch weiß, wo zum Teufel er geblieben ist.« Sie zeigte auf den bis obenhin mit Briefen gefüllten Drahtkorb auf seinem Schreibtisch. »Unerledigte Post«, sagte sie dabei.
    Chee betrachtete den Stapel. Verdammt viel Post. »Seit wann? Wie lange ist er schon fort?«
    »Ich hab' ihn zuletzt Ende des Sommersemesters zu Gesicht bekommen.« Sie lachte wieder, aber diesmal klang ihr Lachen humorlos. »Oder fast am Semesterende. Meistens schafft er's, ein paar Tage früher zu verschwinden. Ich hab' die Prüfungsarbeiten benoten und die Noten für ihn abgeben müssen. Er hat behauptet, er müsse wegen irgendeines Forschungsprojekts verreisen.«
    Das klang schon viel interessanter. »Ich heiße Jim Chee«, sagte er.
    »Oh ... Ich bin Jean Jacobs.« Sie streckte ihm die Hand hin. Chee schüttelte sie. »Darf ich mich setzen?«
    Sie deutete auf einen Stuhl. »Stapeln Sie die Bücher einfach irgendwo auf.«
    Chee nahm Platz. »Weiß denn niemand, wo er ist? Auch Mrs. Tagert nicht?«
    »Die beiden leben getrennt«, antwortete Jean Jacobs. »Ich hab' sie angerufen, als der Fachbereichsleiter ihn unbedingt ausfindig machen wollte. Sie hat gesagt, sie habe keine Ahnung, wo er sich aufhalte, wolle es auch gar nicht wissen und lege nicht den geringsten Wert darauf, angerufen zu werden, falls er wieder auftauchen würde.«
    »Merkwürdig«, sagte Chee.
    »Nicht wirklich«, antwortete die Jacobs. »Dr. Tagert ist bestimmt kein idealer Ehemann. Im Gegenteil, er ist...« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
    »Merkwürdig, daß niemand weiß, wo er steckt, wollte ich damit sagen«, erklärte Chee ihr. »Man möchte doch meinen, er würde den Fachbereich über seine Aktivitäten auf dem laufenden halten.«
    »Nein, keineswegs«, widersprach die Jacobs. »Bestimmt nicht, wenn man ihn kennt.«
    Chee dachte an seine eigene Studienzeit an dieser Universität. Im Prinzip war alles recht gut organisiert gewesen -aber es hatte auch Ausnahmen gegeben. Und Chee hatte sich schon damals der Eindruck aufgedrängt, die Freiheit von Lehre und Forschung mache die Professoren weitgehend unabhängig.
    »Was unternimmt der Fachbereichsleiter in dieser Sache?«
    »Der ist stinksauer. Er hat mich angewiesen, Tagerts Vorlesungen über den Westen jenseits des Mississippi zu übernehmen. Und ich habe mich mit seinen Seminarsteilnehmern getroffen, um den armen Leuten zu sagen, was er von ihnen erwartet, welche Bücher sie lesen sollen und so weiter. Und dann rief der Dekan an und hat

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