Der Kojote wartet
nicht mein Mädchen. Wir sind eher bloß Freunde.«
»Mhh-hmm«, bestätigte Jean Jacobs. »Das sagt Odell auch.«
Chee wollte das Thema wechseln.
»Sie arbeiten für Tagert. Zumindest auf Teilzeitbasis. Haben Sie in seinen Unterlagen jemals etwas gesehen, das einen Hinweis darauf liefern könnte, was Pinto und er dort draußen wollten?«
»Dafür hab' ich mich nie interessiert, um ganz ehrlich zu sein«, antwortete die Jacobs. »Wissen Sie, ich find's echt beschissen, daß Sie arbeiten müssen, obwohl Sie diese Handverletzung haben. Eigentlich sollten Sie krank geschrieben sein.«
»Bin ich auch«, sagte Chee. »Diese Nachforschungen stelle ich privat an.«
Jean Jacobs senkte ihr Kinn, musterte ihn über ihre Lesebrille hinweg und runzelte dabei ihre glatte Stirn. »Warum? Warum tun Sie das?«
»Ich bin neugierig«, antwortete Chee. »Mich interessiert einfach, wie Hosteen Pinto dort hingekommen ist - und was er dort zu suchen hatte. Obwohl diese Dinge im Grunde genommen überflüssig sind. Jedenfalls für das Gerichtsverfahren. Pinto leugnet nicht mal, Nez erschossen zu haben. Ich mache das alles nur, weil ich nichts anderes zu tun habe. Außer mir kümmert sich kein Mensch darum.«
»Ich weiß von noch einem«, sagte Jean Jacobs.
»Was? Wie kommen Sie darauf?«
»Vor ein paar Tagen hat jemand hier angerufen. Ein Beamter der Navajo Tribal Police in Window Rock. Er wollte Ta-gert sprechen. Er hat sich erkundigt, wo er zu finden sei.«
»Wer soll das gewesen sein? Wissen Sie bestimmt, daß er von der Navajo Tribal Police war? Nicht vom FBI? Oder vielleicht einer der Pflichtverteidiger aus dem Büro des Federal Public Defenders?«
»Der Anruf kam aus Window Rock. Und der Mann hat gesagt, er sei von der Navajo Tribal Police.«
»Erinnern Sie sich noch daran, wie er hieß?«
»Er hatte einen komischen Namen. Leider hab' ich ihn vergessen. Aber er hat sich als Lieutenant vorgestellt.«
»Leaphorn!«
»Genaue, bestätigte sie. »Lieutenant Leaphorn. Kennen Sie ihn?«
Chee überlegte und kam zu der einzig möglichen Schlußfolgerung. »Dieser Scheißkerl!« sagte er.
Seine erbitterte Reaktion verblüffte die Jacobs. Sie sah weg, griff nach einem Bleistift, spielte damit und legte ihn wieder hin.
»Entschuldigung«, murmelte Chee.
»Sie kennen ihn wohl näher? Ist er Ihr Boß?«
»Und ob ich ihn kenne. Nein, er ist nicht mein Boß.«
»Er hat nur gefragt, ob Tagert hier sei. Ob ich wüßte, wo er zu finden sei.« Sie musterte Chee. »Ist das schlimm?«
»Nein«, antwortete Chee. »Oder vielleicht doch. Möglicherweise...« Er seufzte. »Das alles interessiert Sie bestimmt nicht.«
»Doch«, sagte sie. »Erzählen Sie mir davon.«
»Eigentlich tue ich alles nur aus persönlicher Neugier«, begann Chee und erzählte ihr von seinem Funkgespräch mit Delbert Nez, der schlechten Verständigung, dem verrückten Felsenmaler und dem Lachen, das ihn dazu veranlaßt hatte, seinen Freund im Stich zu lassen. Er schilderte ihr, wie er den alten Pinto festgenommen hatte. Zuletzt sprach er von Janet Petes Rückkehr aus Washington, ihrem neuen Job als staatlicher Pflichtverteidigerin und ihrem Verhalten in Sachen Pinto.
»Ich weiß, daß ihr dieser Fall zugeteilt worden ist. Das ist ihr Job. Aber Janet gibt mir immer wieder zu verstehen, daß sie eigentlich an Pintos Täterschaft zweifelt. Sie sieht noch viele unbeantwortete Fragen. Zum Beispiel, welches Motiv er hatte. Dabei ist es ganz einfach. Er war betrunken - und hat schon früher im Rausch einen Mann umgebracht und dafür eine Haftstrafe verbüßt. Dazu ist er auf frischer Tat ertappt worden, und er bestreitet sie auch nicht. Aber Janet will sich nicht damit zufriedengeben.« Chee schüttelte den Kopf.
»Sie finden, daß das reicht, weil Sie derjenige sind, der ihn geschnappt hat«, stellte die Jacobs fest. »Aber Sie müssen berücksichtigen, daß sie seine Verteidigerin ist. Und sie arbeitet als Frau auf einem Gebiet, das bisher eine Männerdomäne war. Vermutlich glaubt sie deshalb, irgend etwas beweisen zu müssen. So würde es mir jedenfalls gehen. Vielleicht glaubt sie auch, daß sie Ihnen etwas beweisen muß.« Sie verzog das Gesicht. »Als Polizist haben Sie schon einige Erfahrung, stimmt's? Und für sie ist dieses Spiel noch ganz neu.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das sind natürlich bloß Vermutungen.«
»Sie verstehen nicht, worum es eigentlich geht«, sagte Chee. Er stand auf. Diese Frau war bereit, ihm zuzuhören; und ihm war danach,
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