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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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hinüber, der seinen Blick mit ausdruckslosen Augen erwiderte.
    »Leider ist Chee bei Navajos ein häufiger Name«, stellte Largo fest. »Wie Smith in Chicago oder Martinez in Albuquerque.«
    Leaphorn warf einen Blick in die mustergültig aufgeräumte Küche, ohne etwas anzufassen. Huan Jis Schlafzimmer war ziemlich groß, aber spartanisch wie eine Mönchszelle: ein schmales, ordentlich gemachtes Bett, ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl, eine Kommode, auf der eine Kameratasche stand, und ein Einbaukleiderschrank. Nichts ließ darauf schließen, daß dieser Raum tatsächlich bewohnt worden war. Leaphorn blieb vor dem Schreibtisch stehen und betrachtete die Schreibunterlage, die kleine Schale mit Büroklammern und den Kugelschreiber in seiner Halterung.
    Hinter ihm räusperte sich Rostik. »Lassen Sie bloß Ihre Finger von den Sachen! « sagte der FBI-Agent warnend. »Wir nehmen uns später das ganze Haus vor. Und die gesamte Einrichtung. Mit dafür ausgebildeten Leuten.«
    »Natürlich«, sagte der Lieutenant.
    Nach Leaphorns Ansicht - wenn vielleicht auch nicht nach Huan Jis Begriffen - war Takas Zimmer aufgeräumt. Auch hier ein schmales, ordentlich gemachtes Bett und ähnliche Möbel. Aber auf dem Schreibtisch des jungen stapelten sich Bücher und Papiere, und auf seiner Kommode stand eine ganze Galerie gerahmter Fotos. Leaphorn blieb davor stehen und betrachtete die Aufnahmen.
    Die meisten Fotos zeigten ein Mädchen - eine mäßig hübsche Navajo von fünfzehn oder sechzehn Jahren. Ein Bild schien aus einem Schuljahrbuch abfotografiert und auf 18x24 Zentimeter vergrößert worden zu sein. Andere waren Schnappschüsse, von denen die Aufgenommene offenbar nichts geahnt hatte. Auf manchen waren zwei oder drei andere Jugendliche zu sehen - aber stets auch das Mädchen. Wie der verkürzte Hintergrund zeigte, waren viele der Bilder mit einem Teleobjektiv gemacht worden.
    Die mit Fliegengittern versehene rückwärtige Veranda diente als Lagerraum für Gartenmöbel. Von ihr aus führte eine Tür in einen Nebenraum, der vermutlich als drittes Schlafzimmer angebaut worden war. Auf der Tür stand in Schablonenschrift: DUNKELKAMMER. VOR DEM ÖFFNEN ANKLOPFEN. Leaphorn sah zu Rostik hinüber, der zögernd nickte, und öffnete die Tür, ohne anzuklopfen.
    Der Raum dahinter war dunkel, weil die Fenster mit schwarzer Plastikfolie zugeklebt waren, und die abgestandene Luft roch stechend nach Säuren. Leaphorn schaltete die Dek-kenbeleuchtung ein. Auf einem Arbeitstisch standen ein Vergrößerer, einige Entwicklerschalen und ein Dutzend Chemikalienbehälter. Auf einem zweiten Tisch stapelten sich Kassetten, die vermutlich Fotopapier enthielten. Nachdem Leaphorn das alles begutachtet hatte, kehrte sein Blick zu den Entwicklerschalen und der beheizbaren Trockenpresse neben ihnen zurück. In einem Drahtkorb unter der Trockenpresse lagen fertige Vergrößerungen.
    Leaphorn faßte das oberste Bild vorsichtig an den Rändern und nahm es heraus. Die 18x24 Zentimeter große Schwarzweißaufnahme zeigte einen unregelmäßig geformten Felsen. Er legte sie weg und griff nach dem nächsten Foto, das auf den ersten Blick mit dem anderen identisch zu sein schien. Aber dann sah er, daß es den anschließenden, etwas überlappenden Teil der Felsformation zeigte. Leaphorn legte es beiseite und wollte nach dem nächsten greifen.
    Rostik tippte ihm auf die Schultern.
    »Bitte nichts anfassen!« sagte er. »Vielleicht wollen die Fachleute auch diesen Raum unter die Lupe nehmen.«
    »Dann überlasse ich ihn den Fachleuten«, lenkte Leaphorn
    ein.
    Während er den Raum verließ, fiel ihm plötzlich ein, daß Professor Bourebonette in seinem Auto wartete. Er wollte mit Largo über Officer Jim Chee reden, aber er hatte keine Lust, schmutzige Wäsche der Tribal Police vor FBI-Agent Rostik zu waschen. Als erstes würde er Bourebonette über den Stand der Dinge informieren. Er würde sie auffordern, den Motor anzulassen und die Heizung anzustellen. Er würde ihr sagen, daß es nicht mehr lange dauern könne.
    Als Leaphorn die Straße überqueren wollte, sah er den alten Jeepster um die Ecke biegen. Der Wagen rollte den halben Block entlang, hielt an und entfernte sich rückwärts von den Polizeifahrzeugen vor Huan Jis Haus. Dann hielt er zum zweiten Mal und blieb mitten auf der Straße stehen. Schuldbewußtsein, dachte der Lieutenant. Oder eine Mischung aus Angst und Neugier. Zuletzt schien sich der Fahrer doch entschlossen zu haben, sein Ziel

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