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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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zuständig.«
    Chee spürte, daß er rot wurde. »Die Feds hatten nicht mit ihm gesprochen«, sagte er. »Ich dachte, er könnte vielleicht etwas gesehen haben.«
    Leaphorn äußerte sich nicht dazu. »Ihr Kaffeewasser kocht«, stellte er lediglich fest.
    Früher war Joe Leaphorn nikotinsüchtig gewesen: Er hatte pro Tag vierzig Pall Mall ohne Filter geraucht - und später sechzig, als er auf Filterzigaretten umgestiegen war, weil Emma sich Sorgen um seine Gesundheit machte. Das Rauchen hatte er bald nach ihrer schweren und letztlich tödlichen Erkrankung aufgegeben. Er hatte diese Entbehrung als eine Art Opfer für sie, die ihn liebte, auf sich genommen. Und für die Götter, damit er das geliebte Wesen behalten durfte.
    An die Stelle seiner abklingenden Nikotinsucht war allerdings eine wachsende Vorliebe für Kaffee getreten. Jetzt dachte er jeden Tag beim Aufwachen an seinen Morgenkaffee und genoß in Gedanken schon den ersten Schluck. Sein Arbeitstag war in Intervalle zwischen Kaffeepausen unterteilt. Als logisch denkender Mensch wußte er, daß seine zwanghafte Sucht nach Kaffee nicht nur eine Schwäche war, sondern auch ein Gesundheitsrisiko darstellte. Deshalb hatte er einen logischen Kompromiß mit sich selbst geschlossen: nicht mehr als vier Tassen vor dem Mittagessen, nachmittags nur mehr koffeinfreien Kaffee. Damit kam er ziemlich gut zurecht.
    Aber heute hatte Leaphorn so gut wie keinen Kaffee getrunken. Zum Frühstück hatte es nach alter Gewohnheit zwei Tassen gegeben, und vormittags hatte er sich in dem Laden an der Kreuzung bei Newcomb ein Täßchen genehmigen wollen.
    Aber dort hatte es keinen gegeben. Das beim Mittagessen in Shiprock servierte Gebräu war eine offenbar vom Frühstück übriggebliebene und aufwärmte dünne Brühe gewesen, die selbst Leaphorn, der nicht übermäßig anspruchsvoll war, nicht hatte trinken können. Und dann war der Mord an Huan Ji dazwischengekommen. Als Jim Chee jetzt den Kaffee mit kochendem Wasser aufbrühte, war das Aroma, das Leaphorns Nase erreichte, unbeschreiblich köstlich.
    Er hatte noch nie jemanden auf diese Weise Kaffee zubereiten sehen. Chee stellte die drei Becher neben den Ausguß, setzte ein kegelförmiges Filtergehäuse mit eingelegtem Papierfilter darauf, kippte einen Löffel Folger's Coffee hinein und goß kochendes Wasser darüber. Dann warf er die Filtertüte weg und wiederholte den Vorgang bei den übrigen Bechern. Verschwendung, dachte Leaphorn. Und zeitraubend dazu. Aber als er das Ergebnis kostete, war er beeindruckt. Ausgezeichneter Kaffee, wie er ihn noch nie getrunken hatte.
    Der Lieutenant betrachtete Chee über den Becherrand hinweg. Ein seltsamer junger Mann. Eigentlich sah er mit seinem schmalen, sensiblen Gesicht, wie es Frauen mochten, ganz passabel aus. Ein ziemlich guter Cop - auf einigen Gebieten hervorragend, auf anderen dafür um so schwächer. Er wußte noch, wie Largo einmal versucht hatte, Chee als Stellvertreter seines Sergeants einzusetzen. Aus irgendeinem Grund, den er vergessen oder wahrscheinlich nie erfahren hatte, war der Versuch bald gescheitert. Aber er konnte sich den Grund dafür denken. Chee war kein Teamspieler, sondern ein Einzelgänger, der es vorzog, auf eigene Faust zu handeln. Jemand, der nur so lange innerhalb des Systems arbeitete, bis es ihm irgendwann in die Quere kam. Einer der Männer, die nach ihrem eigenen inneren Metronom lebten.
    Man brauchte nur an seinen Versuch zu denken, gleichzeitig hataalii und Polizist zu sein. Das war nicht nur zeitlich unmöglich. Wie konnte ein Cop von einer Minute auf die andere neun Tage Urlaub für eine Heilungszeremonie bekommen? Es war irgendwie unpassend. Als sei jemand Finanzberater und katholischer Priester zugleich. Oder Rabbi und Komiker. Das akzeptierten die Leute einfach nicht. Sie erwarteten, daß ihr Schamane oder Geistlicher sich von gewöhnlichen Menschen unterschied - daß er im Halbdunkel am gefährlichen mystischen Rand des Übernatürlichen lebte.
    Chee, der wegen seiner dick verbundenen Linken unbeholfen wirkte, füllte jetzt den Wasserkessel erneut. Das hat er nun von seinem Verstoß gegen die Dienstvorschriften, dachte Leaphorn. Fairerweise mußte er jedoch zugeben, daß zwar der Tod eines Polizisten auf Chees Pflichtvergessenheit zurückzuführen war, daß diese verbrannte Hand aber auch etwas über seine Tapferkeit aussagte. Er fragte sich, ob er für einen anderen ins Feuer gegangen wäre, ob er den rotglühenden Türgriff angefaßt hätte, um

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