Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
den Weg zum Acker raufgerumpelt, und Birnbaum grauste es.
»Sie könnten uns einen
Gefallen tun, Herr Birnbaum, und einen Blick auf den Toten werfen.«
Birnbaum schluckte.
»Muss das sein?«
»Es wäre schon eine
große Hilfe, und es liegt ja wohl auch in Ihrem Interesse …«
Birnbaum stapfte hinter
der Kommissarin her. Vor dem plastikbedeckten Bündel, das etwa zwanzig Meter
von dem Meteoriten entfernt lag, blieben sie stehen. Die Kommissarin nickte
einem Kollegen zu, der ein Köfferchen mit allerlei medizinischem Handwerkszeug
neben sich stehen hatte.
»Können Sie schon etwas
zum Todeszeitpunkt sagen, Doktor?«
»Zwischen ein und drei
Uhr früh«, antwortete der Doktor.
»Als die Nacht am
schwärzesten war«, murmelte die Kommissarin und lüftete die Plastikdecke.
Darunter lag tatsächlich der Sperling, ganz blass und zusammengekrümmt, fast
wie ein Kind, das sich versteckt. Sein gebügeltes Hemd und die Jeans waren
dreckig von der Ackererde. Der Angriff musste ganz überraschend gekommen sein.
An seiner linken Schläfe klaffte ein blutiges Loch.
Birnbaum wurden die Knie
weich. »Ich habe ihn zwar nicht so furchtbar gern gemocht, weil er sich immer
so aufgespielt hat. Aber das habe ich ihm nicht gewünscht, dem armen Jungen …«
Er wischte sich eine
Träne aus den Augenwinkeln.
»Es ist also der Herr
Sperling? Ist das sicher?«, fragte die Kommissarin.
»Ja, natürlich, das ist
er.«
»Und Sie sagen, dass Sie
ihn gegen halb neun gestern Abend zuletzt gesehen haben, als er nach Palling
reinfahren wollte?«
»Er wollte ein Bier
trinken gehen. Und was essen wahrscheinlich. Er war verärgert, weil ich mit dem
Gitter kam, um den Kometen zu verriegeln. Damit wäre seine Nachtwache
eigentlich überflüssig geworden, hat er gemosert.«
»Wollte er dann zurück
nach München fahren?«
»Nein. Er wollte noch
mal in der Hütte übernachten, auf dem Feldbett.«
»Trug er diese Kleidung,
als Sie ihn sahen?«
»Ich glaube schon.
Allerdings hatte er sich noch so eine dünne Jacke über das T-Shirt gezogen.«
»Und danach haben Sie
ihn nicht mehr gesehen?«
Birnbaum ließ den Kopf
hängen. »Nein. Ich hab das Gitter angebracht und bin dann noch ein Weilchen da
gesessen und hab ein paar Schluck getrunken. Und dann bin ich heimgefahren.«
»Und Sie können nicht
sagen, wann das ungefähr gewesen ist? Wie lange brauchen Sie denn gewöhnlich
für eine Flasche Schnaps?«, fragte der Kriminalassistent frech.
»Es war nur eine halbe
Flasche«, sagte Birnbaum ungnädig. »Eher noch weniger. Und es könnte halb elf
gewesen sein, als ich hier weg bin. Vielleicht dreiviertel elf. Aber später
ganz sicher nicht.«
»Hört man die Uhr vom
Kirchturm nicht?«
»Normalerweise schon.
Aber ich hab halt nicht darauf geachtet. Ich hab nachgedacht.«
»Gut, Herr Birnbaum«,
sagte die Kommissarin. »Dann fahren Sie jetzt heim und halten sich zu unserer
Verfügung. Mein Kollege Bichler wird nachher noch zu Ihnen kommen und das
Protokoll aufnehmen.«
Birnbaum räusperte sich.
»Nicht dass es pietätlos klingen soll, aber was ist mit dem Meteoriten? Ist er
noch da?«
»Er liegt unberührt
unter dem Gitter. Da haben Sie wohl gerade im rechten Moment den richtigen
Einfall gehabt, Herr Birnbaum.«
»Darf ich noch einmal
nachschauen gehen?«
Das durfte Birnbaum
nicht, um keine Spuren zu zerstören, aber er glaubte der Kommissarin mit der
tiefen Stimme, die jetzt leise schimpfend auf ihrer Uhr herumklopfte.
Als Birnbaum weg war und
die Spurensicherung begann, ihr Handwerkszeug zusammenzuräumen, blieb
Kommissarin Wintersruh noch einmal sinnend an der vergitterten Grube stehen.
Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich müsste es doch der Traum eines jeden
Geologen sein, von einem Meteoriten erschlagen zu werden.«
»So weit geht die Liebe
zum Beruf wohl doch nicht«, sagte Bichler, der hinzugetreten war. »Außerdem ist
der junge Mann ja nicht von dem Meteoriten erschlagen worden, sondern wegen des
Meteoriten. Mit einem stumpfen Gegenstand, wie es aussieht. Und das macht einen
feinen Unterschied, Chefin. Ich glaube, an diesem Fall werden wir ordentlich zu
knacken haben.«
»Das befürchte ich
auch«, sagte die Kommissarin mit einem fatalistischen Unterton.
2
Am liebsten hätte sie das
Klingeln ignoriert. Nun wusste er es also.
»Was zum Teufel fällt
euch ein, eine solche Sauerei zu produzieren?«, schrie er ihr ins Ohr.
Offenbar hatte er die
Regionalschau im Radio gehört, die über den Leichenfund auf dem
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