Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Klara im Gästezimmer ein, trieb den Xaver und den Tobias
dazu an, sich im Haushalt nützlich zu machen, und verwöhnte Maria mit
gebratenem Rehrücken, selbst gemachten Windbeuteln und anderen Leckereien.
Nach einer Woche fühlte
Maria sich gut genug, um wieder aufzustehen. Sie schickte Klara nach Hause,
werkelte ein bisschen in der Küche herum und saß die meiste Zeit in ihrem
Sessel am Fenster, machte Kreuzworträtsel oder strickte. Nach fünf weiteren
Tagen wurde ihr das langweilig. Sie stieg aufs Fahrrad, um in Palling einkaufen
zu gehen und ein bisschen Tratsch zu hören.
Therese Langner war
inzwischen begraben. Niemand hatte sich gemeldet, um sich ihrer Leiche
anzunehmen. Sie schien gar keine Familie gehabt zu haben, oder zumindest keine,
die sich um ihre letzte Ruhe und ihre Hinterlassenschaft kümmerte. Auf dem Weg
vom Metzger zum Bäcker machte Maria einen Abstecher in die Kirche, um eine
Kerze für sie anzuzünden. Ganz gleich, was die Therese auf dem Kerbholz gehabt
hatte, so ein Ende hatte sie nicht verdient, das verdiente niemand. Vielleicht
hatte man sie nur benutzt? Und als sie nicht mehr nützlich war, hatte man sie
aus dem Weg geräumt wie ein altes Möbel.
Während Maria mit
gefalteten Händen vor der Heiligen Jungfrau kniete, ließ sie in ihrer
Erinnerung noch einmal das lange Gespräch mit Fred Gartelmann Revue passieren.
Fünfmal täglich ermahnte sie sich selbst, sich nicht mehr einzumischen, aber je
mehr sie sich ermahnte, desto schlimmer wurde es, und am Ende dachte sie die
ganze Zeit an nichts anderes mehr als an die Morde.
»Das ist Aufgabe der
Polizei«, murmelte sie noch, als sie durch die Seitentür die Kirche wieder
verließ und über den Friedhof ging, statt direkt auf die Straße, was der
übliche Weg gewesen wäre. Das Grab von Therese Langner lag in der
allerhintersten Ecke, direkt an der Mauer, und sah ziemlich trostlos aus.
Niemand kümmerte sich darum. An den Rändern begann bereits Unkraut zu sprießen,
das ging schnell im Sommer. Brennnessel und Nachtschatten, das waren ja wohl
Hexenkräuter. Keine Blumen, keine Schleifen. Noch nicht einmal ein Kreuz war
aufgestellt worden. Nur ein kleines weißes Plastikschildchen zeigte an, wer
hier begraben lag.
»Du hast ein falsches
Spiel gespielt, Therese. Und am Tod vom Patrick Sperling hast du sicher deinen
Anteil gehabt«, murmelte Maria mit gefalteten Händen. »Mit wem hast du dich
bloß eingelassen? Worum ging es dir? Und war es das wert, dafür zu sterben?«
Eine heftige Böe fegte
durch den Baum, der auf der anderen Seite der Mauer stand, und ließ die Blätter
rauschen. Ob die Therese immer noch das rotgoldene Sonnenrad um den Hals trug,
das ihre Zugehörigkeit zu der Sekte zeigte? Die Kommissarin aus Traunstein
kannte die Zusammenhänge ja gar nicht. Und der Gartelmann war bestimmt zu feige
gewesen, sich bei ihr zu melden.
Maria bückte sich, um
eine vorwitzige Distel auszurupfen, und in diesem Moment spürte sie zum ersten
Mal eine wirkliche Bewegung in ihrem Bauch, ein winziges Händchen oder Füßchen,
das sie stieß. »Ich habe hier nichts verloren. Das alles schadet mir. Ich
sollte besser auf den Doktor hören …«
Und sie ging davon, so
schnell sie konnte, die Hände gegen den Leib gepresst, und mit einem so
heftigen Herzschlag, dass sie ihn im Halse fühlte.
Am Nachmittag rief sie
noch einmal bei Fred Gartelmann an. Aber er meldete sich nicht. Vielleicht
erkannte er ihre Nummer auf dem Display und wollte nicht mit ihr reden.
»Haben Sie das von der
Therese Langner gehört?«, sprach sie ihm auf die Mailbox.
Er musste es ja gehört
haben. Aber seine ganze Art, die mangelnde Energie und das viele Bier, das er
sich reingeschüttet hatte, ließen nicht darauf schließen, dass sie in ihm einen
Verbündeten finden würde.
In den Nächten träumte
Maria wieder schlecht. Regelmäßig zwischen zwei und drei Uhr früh schreckte sie
schweißgebadet hoch. Es ging so weit, dass sie sich vorm Einschlafen zu
fürchten begann und sich abends stundenlang mit Handarbeiten und
Kreuzworträtseln wach hielt. Ihr Mann war beunruhigt und konsultierte heimlich den
Doktor, der für Maria Baldrianpillen aufschrieb. Maria war verärgert,
gleichzeitig sehnte sie sich nach einer ruhigen Nacht und fing an, die Pillen
zu nehmen. Sie halfen jedoch nicht, oder zumindest nicht so schnell und so gut,
dass sie sich wirklich erleichtert gefühlt hätte. Die Träume wurden wirrer,
aber sie verschwanden nicht. Manchmal lag alles wie hinter
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