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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Paul Niemann
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einem Nebel, in dem
sie nur einige Details erkennen konnte. Die Therese war tot. Ihre gebrochenen
Augen starrten ins Leere, eine lange Zunge schlängelte über die roten Lippen.
Eine Schlange war sie gewesen, die Therese Langner. Das Frettchen mit seinen
spitzen Zähnen verfolgte Maria durch die Dunkelheit. Es sprang von der Wand und
huschte ihr unter die Röcke. Es biss sie in die Beine und fauchte dabei wie
eine tollwütige Katze. Und der Rabe kam angeflogen, setzte sich auf ihre
Schulter und versuchte, ihr ein Auge auszuhacken. Dann schreckte sie hoch und
wälzte sich den Rest der Nacht in den feuchten Kissen.
    Sie wurde blass, ihre
Lippen waren spröde, obwohl sie sich gesund ernährte. Sie fühlte sich schon
müde, wenn sie nur die Federbetten aufschüttelte. Dann musste sie sich immer
setzen. Ihr Atem war kurz, die Knie taten ihr weh.
    »Baldrian hilft mir ebenso
wenig wie Obst und Vitamine«, flüsterte sie. »Nicht die Symptome muss man
bekämpfen, sondern die Ursachen. Und solange ich weiß, dass der Mörder noch
frei herumläuft, werde ich nicht wieder ruhig schlafen können.«

2
    Das goldene Rad funkelte
in der Sonne, schimmerte auf ihrer nackten Haut. Das Fenster war weit geöffnet,
um die frische Morgenluft einzulassen. Die duftigen Gardinen bauschten sich.
Auf dem Nachtkästchen lagen Bücher, die sie vor dem Schlafengehen las:
Rhetorik, Psychologie und Traktate über soziale Intelligenz.
    Die Klugheit beherrschte
die Dummheit. Menschenführung war ein intellektueller Akt, Charisma nur das
schmückende Beiwerk, das den Köder leichter durch die Kehle gleiten ließ. Das
Schmieröl der Demagogie. Mit dem Kopf musste man handeln, nicht mit den Händen.
Mit dem Verstand musste man töten, nicht mit den eigenen Krallen. Das taten nur
Tiere. Und Menschen, die sich nicht unter Kontrolle hatten.
    »Hühnerblut an den
Fingern«, murmelte sie. »Wer das nötig hat, hat nichts verstanden. Stählerne
Klingen wetzen, statt mit der Schärfe des Verstandes zuzuschlagen. Wer so
vorgeht, hat ausgedient. Der steht der Zukunft im Wege. Der hat auch in der
Gruppe nichts mehr verloren. Das Alte abstreifen, damit das Neue sich entfalten
kann.«
    Die Langner mit ihren
Hexenkunststücken. Mit ihren nikotingelben Fingern und ihrer Vorliebe für
Zweideutigkeiten. Mit den piepsenden Küken in der Einkaufstasche, wenn sie ganz
nervös vom Markt kam.
    »Unterste Stufe!«
    Sie stellte sich in die
Morgensonne, die ihre weiße Haut leuchten ließ wie Alabaster. Makellos schön
war sie, ihr Gesicht ebenmäßig und rein, die Stirn jugendlich glatt.
    Die Langner mit ihren
wehenden Röcken und dem zerzausten Haar, hoffnungslos veraltet, grenzenlos
banal. Die Welt hatte sich geändert, und wer nicht Schritt hielt, den spie sie
aus.
    »Unterste Stufe.
Untragbar!«
    Dummheit und
Disziplinlosigkeit. Es war gut, wenn sie verschwanden.

3
    In der ersten
Augusthälfte gingen ein paar kräftige Gewitter nieder und brachten etwas
Abkühlung. Die beiden Morde von Palling waren immer noch ungelöst, und
allmählich begann das erste Gras darüber zu wachsen. Monika Schwalbe schickte
einen Urlaubsgruß aus Griechenland. Die Karte zeigte eine Ansicht von Delphi,
und neben den allgemeinen Grüßen fand sich ein PS : »Liebe Maria, die Verehrung von Steinen hat Tradition. Wenn du wieder
Kirschkuchen bäckst, habe ich ein paar Neuigkeiten für dich.«
    »Die Kirschzeit ist
vorbei«, murmelte Maria. »Aber wenn du kommst, kannst du frischen Apfelkuchen
haben.«
    Die Schwalbe kam zehn
Tage später, braun gebrannt und ausgesprochen guter Dinge. Maria hatte im
Obstgarten einen kleinen Tisch gedeckt, und der Xaver sah es gern, dass sie
Ablenkung hatte, statt zu arbeiten oder zu grübeln. Da es auf seinem eigenen
Acker in diesem Jahr nichts zu ernten gab, half er bei den Nachbarn mit und verdiente
so ein Zubrot. Das war besser als nichts, und als er seinen Kaffee ausgetrunken
hatte, machte er sich wieder auf den Weg.
    »Bei Frauengesprächen
störe ich doch nur«, erklärte er mit einem Grinsen, worauf die Schwalbe die
Stirn runzelte, während Maria bestätigend nickte.
    Die blonde
Wissenschaftlerin ließ sich schon das zweite Stück Kuchen schmecken. »Also
ehrlich, Maria, dein Apfeldatschi ist noch besser als dein Kirschkuchen, und
wenn ich auch nur die geringste hausfrauliche Begabung hätte, würde ich dich um
das Rezept bitten.«
    »Aber da dir diese
Begabung leider völlig abgeht, wirst du auch künftig lieber hierherkommen, um
dir den Magen

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