Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
zu
haben«, resümierte Bichler, der die Akte rasch überflog. »Sie propagierten die
Renaissance des keltischen Volkes, das einstmals die Welt beherrschen wird. Und
der Anführer dieser netten Exoten, der sich selbst gern als Druide titulieren
ließ, war besagter Hermann Graue.«
»Habe ich es nicht
gesagt?«, bemerkte Gartelmann mit gelangweilter Miene.
Bichler druckte die
Seite aus. »Die waren damals ziemlich aktiv. Haben öffentliche Veranstaltungen
gemacht, heidnische Sonnenwendfeiern mit angeblich keltischem Liedgut und
Segnungen des Druiden. Wäre ja nicht das erste Mal, das jemand versucht, sich
so ein Zeug zunutze zu machen. Identitätsstiftende Traditionen unter Hintanstellung
der historischen Realität. Und am Ende hat man eine regelrechte Sekte, deren
Mitglieder wie die Kletten aneinanderkleben und für ihren großen Meister alles
tun würden.«
»Genau der Schrott, den
ich nicht leiden kann«, bemerkte die Kommissarin trocken.
»Vor fünf Jahren wurde
Hermann Graue als Vereinsvorsitzender von einem weniger radikalen Nachfolger
abgelöst. Graue hatte es anscheinend verstanden, seine Mitglieder zu allerlei
Dummheiten zu veranlassen. Es gab Unterschlagungen zu Gunsten des Vereins, Ankauf
von ländlichen Immobilien in abgelegenen Gegenden durch Strohmänner,
Gebäuderuinen, die überversichert wurden und dann prompt niederbrannten.
Offenbar hatte der Druide gute Beziehungen zu den Blitzen. Dann stand Nötigung
im Raum, vielleicht sogar Erpressung. Und möglicherweise Zuhälterei, in dem
Sinne, dass junge Frauen und Mädchen, die dem Verein angehörten, für allerlei
Vergnügungen zur Verfügung stehen mussten, wenn der Druide es befahl. Graue
wird nicht schlecht daran verdient haben. Und irgendwie ist ihm gelungen,
seinen Verein so interessant zu machen, dass gut betuchte Leute sich um die
Mitgliedschaft geradezu rissen.«
Die Kommissarin rollte
mit ihrem Stuhl heran, um ihrem Assistenten über die Schulter zu blicken. »Und
was bekamen sie dafür im Gegenzug?«
Bichler, der es nicht
ausstehen konnte, wenn ihm jemand auf die Pelle rückte, stand auf, um sich
einen Kaffee einzugießen. »Dafür muss man zunächst einmal verstehen, wie so
eine Sekte funktioniert«, dozierte er, wobei er den Kaffeelöffel wie einen
kleinen Taktstock schwang. »Zum einen gibt es die charismatische
Führungspersönlichkeit, um die herum sich die Gruppe gebildet hat. Das ist der
Erleuchtete, dessen Wort innerhalb der Gruppe ebenso schwer wiegt wie für
andere Leute die Gesetzestafeln Moses. Er erhebt für sich den Anspruch auf das
Monopol der Wahrheit, womit folgerichtig auch seine Handlungen exklusiv
konzessioniert sind. Er verkündet den Weg zum Heil. Und das Erreichen dieses
Heils rechtfertigt die jeweilige religiöse Praxis.«
»Die Disziplin beim
Verein Sonnenrad und seinen Ablegern ist rigoros«, trug nun Gartelmann bei.
»Wer nicht spurt, fliegt. Oder bezahlt mit dem Leben. Die Gruppe verlangt
Gefolgschaft und Unterordnung bis zur Selbstaufgabe. Sogar das Privatleben wird
kontrolliert. Alte Sozialbeziehungen werden unterbunden. Es gibt
Kontaktverbote, Trennungsbefehle sogar innerhalb der eigenen Familie, Kontrolle
jeglicher Kommunikation. Wer die Wahrheit der Sekte nicht anerkennt, gilt als
verloren oder minderwertig und hat in letzter Konsequenz keine
Existenzberechtigung.«
Bichler nickte. »Das
Wort des Führers ist Gesetz. Und mit diesem Absolutheitsanspruch geht das
Bewusstsein der Mitglieder einher, eine Elite von Auserwählten und Geretteten
zu sein. Ein Privileg, für das man einiges tun muss: Loyalität beweisen,
Gehorsam üben, wirtschaftliche Unterstützung geben.«
»Wirtschaftliche
Unterstützung meint in dem Fall, dass die Mitglieder dem Hermann Graue das Geld
nur so in den Arsch geblasen haben«, bemerkte Gartelmann zynisch. »Mein Kumpel
Christian, der auch auf diesen Verein reingefallen war, hatte sogar Schulden gemacht,
um seine Beiträge und Sonderscherflein zu zahlen, damit der große Meister sich
den Klorollenhalter vergolden lassen konnte. Seine Eltern haben den ganzen Mist
hinterher abgestottert.«
»Mäßigen Sie sich, Herr
Gartelmann.« Die Kommissarin hielt ihm ihren Teller mit Schokoladenkeksen hin.
»Wenn dieser Möchtegern-Druide wirklich so viel Dreck am Stecken hat, werden
wir ihn kriegen!«
»Jetzt muss ich aber
lachen! Wie wollen Sie ihn kriegen, wenn er doch seit Jahren tot ist?«
»Wie bitte?«, fragten
die Kommissarin und ihr Assistent wie aus einem Munde.
»Zumindest ist
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