Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
schief.
»Das klingt ja ganz einfach, Chefin!«
6
Xaver Birnbaum war schon
den ganzen Tag nervös. Zum wiederholten Mal marschierte er den Rain seines
ehemaligen Weizenfeldes entlang. An einem Stock in der Erde hing noch ein Rest
von dem rot-weißen Flatterband, mit dem die Polizei den Schauplatz des Mordes
vor fast drei Monaten abgesperrt hatte.
»Dieser ganze Mist
bringt mich noch um!«
Ein Sperling, der in
einem herbstlichen Strauch gerastet hatte, flatterte erschrocken auf. Der Fluch
schien in der Mittagsluft zu schweben. Aber jetzt war es ohnehin zu spät.
Dieses Jahr ging nichts mehr, der Acker blieb eine Brache. Das Geologische
Institut hatte ihm eine kleine Ausgleichszahlung in Aussicht gestellt, wenn er
den Wissenschaftlern dafür ständigen Zugang zu dem Meteoriten gewährte. Davon
abgesehen, dass die Zahlung viel zu gering war, um die ausgefallene Ernte zu
ersetzen, passte es Birnbaum nicht in den Kram, dass man ihm Vorschriften
machte, wann und wo er mit seinem Traktor fahren durfte und wo nicht. Die
Wissenschaft herrschte wie ein gestrenger Gottvater über seinem Boden. Er war
auf seinem eigenen Land nur noch ein gehorsamer Ministrant, der das Glöckchen
läuten und andächtig lauschen durfte, wenn Professor Driftel oder seine
Kollegen gelehrte Zeremonien abhielten und die Bestätigung ihrer Hypothesen
predigten. Noch nicht einmal Wegezoll durfte er nehmen, wenn er sich keinen
Ärger einhandeln wollte.
Birnbaum trat gegen ein
paar Steine und fluchte. Am meisten schmerzte es ihn, seine Frau so enttäuschen
zu müssen. Der Geldsegen, von dem er ihr, seinem Sohn und dem kleinen
Ungeborenen ein angenehmes Leben hätte finanzieren können, würde nicht kommen,
so viel war inzwischen klar.
Nachdem er genug
geschimpft hatte, ging Birnbaum nach Hause. Aber auch dort gelang ihm nichts.
Beim Flicken des Kaninchenstalls schlug er sich mit dem Hammer auf den Finger,
und sein Gesicht lief rot an vor lauter Anstrengung, sich einen weiteren Fluch
zu verkneifen. Es wäre besser gewesen, er wäre mitgefahren zum Doktor. War doch
egal, was die anderen dachten. Sollten sie ihn doch einen Weiberknecht und ein
Weichei nennen, weil er stundenlang beim Frauenarzt im Wartezimmer saß und
Händchen hielt. Stattdessen war die Klara dabei, und das konnte ewig dauern,
denn die Klara war eine schwatzhafte Elster, und sie würde mit der Maria sicher
noch hierhin und dorthin fahren und tratschen und ihn schmoren lassen, bis es
dunkel wurde.
Murrend machte er den
Stall fertig und ertappte sich dabei, dass er das schwarze Kaninchen
unverhältnismäßig lange im Arm hielt und ihm den Nacken kraulte, was sonst
nicht seine Art war.
Wahrscheinlich werde ich
alt, dachte er mit einer Mischung aus Missmut und Zufriedenheit. Ein
sentimentaler alter Sack. Fehlt noch, dass ich hier einen Streichelzoo
einrichte.
Er schob das Kaninchen
zurück in den Stall und pflückte noch ein bisschen Löwenzahn, den er durchs
Drahtgitter steckte. Dann endlich kam Klaras Wagen auf den Hof gefahren.
Birnbaum blieb hinter dem Holzstapel stehen. Maria stieg aus, mit ihrem
geblümten Halstuch und einem Lachen im Gesicht, sodass er am liebsten gleich zu
ihr hingelaufen wäre. Aber erst musste die Klara fort sein.
Als der Wagen vom Hof
fuhr, verschwand Maria in der Diele, und nun hielt ihn nichts mehr. Er nannte
sich selbst einen Trottel, weil er in der Zwischenzeit ja wenigstens ein paar
Blumen hätte pflücken oder den Abendbrottisch hätte decken können. Maria hatte
das Halstuch abgenommen und stellte Teller auf den Tisch, als er durch die Tür
gepoltert kam. Ihr Bauch kam ihm nun viel runder vor als am Morgen.
»Alles gut?«, fragte er
ohne Umstände, wie es seine Art war.
»Ja, alles gut«, nickte
sie und strahlte plötzlich, wie er es zuletzt gesehen hatte, als der Tobias das
Laufen lernte.
Er setzte sich, stand
wieder auf und wusste kaum, wo er bleiben sollte.
»Und, konnte man schon
sehen, was es wird?«
Sie tat so, als habe sie
die Frage nicht gehört.
»Was wird es denn?«,
drängelte er.
»Ein Mädl wird es«,
sagte sie, nachdem er noch drei Mal hatte bitten müssen. »Der Doktor hat es mir
gezeigt, auf dem Ultraschall.«
Sie zog ein
schwarz-weißes Bildchen aus ihrer Tasche. Xaver Birnbaum erkannte nichts
darauf, auch nicht, als sie es ihm erklärte. Aber das machte nichts. Wenn die
Maria es sagte, würde es schon stimmen.
»Nun wird alles wieder
gut«, sagte er und drückte sie ganz fest.
Maria war erstaunt, denn
solche Ausbrüche
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