Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
murmelte
Birnbaum und krauste die Stirn.
»Die Berggrün, die
Lehrerin!«, half Klara ihm auf die Sprünge. »Aber sie müssten längst zurück in
Palling sein. Ich bin ja selbst schon lange wieder da. Du meinst doch nicht,
sie könnten … einen Unfall gehabt haben?«
Birnbaum stockte. »Die
Berggrün, das ist doch diese Brünette, die im gleichen Haus wie die Therese
Langner wohnt? In der Etage darunter.«
»Bei der Langner im
Haus? Das wusste ich nicht. Meinst du, das hat was zu bedeuten?«
»Keine Ahnung«, murmelte
Birnbaum. »Ich fahre noch mal nach Palling rein. Vielleicht sitzen sie ja bei
der Berggrün in der Stube und trinken Kaffee.«
»Sagst du mir Bescheid,
wenn du sie gefunden hast?«
Aber Birnbaum hörte sie
nicht mehr. Er hatte seine Schwägerin schon weggedrückt.
16
Schweißtropfen traten
Maria auf die Stirn. Bald waren sie in Stein, da musste die Berggrün wieder
langsamer werden, ob es ihr passte oder nicht. Vielleicht an der Kreuzung …
Aber auch hier zeigte
die Ampel grün, und der Wagen raste ungebremst durch den Ort. Sie überquerten
die Traun und schlugen tatsächlich die Straße nach Palling ein.
Vielleicht bringt sie
mich ja wirklich nach Hause, dachte Maria.
Kurz hinter dem
Ortsausgang von Stein bremste die Lehrerin jedoch so scharf, dass Maria hart in
den Gurt geworfen wurde. Der Wagen kam am Straßenrand zum Stehen. Neben ihnen,
verborgen hinter dichtem Gesträuch, das der nahende Herbst bereits gelblich färbte,
erhob sich die steile Felswand. Die Berggrün schaute sich um. Die Straße war
leer, weit und breit kein Mensch.
»Steig aus!«, befahl sie
knapp.
Schwerfällig erhob sich
Maria aus dem niedrigen Sitz. Kalter Regen schlug ihr ins Gesicht.
In diesem Moment
erschienen zwei dunkel gekleidete Männer. Der eine hatte einen Regenschirm
dabei, den er der jungen Frau hinhielt. Maria musste im Regen gehen. Dem
anderen Mann warf die Berggrün den Wagenschlüssel zu, als wäre er ein Lakai.
»In den Hof!«, sagte sie
knapp.
Mit harter Hand schob
sie Maria vor sich her, durch die Büsche, die einen perfekten Sichtschutz zur
Straße bildeten. Nun erkannte Maria auch, woher die beiden Männer so plötzlich
aufgetaucht waren: Direkt in der Wand, verborgen hinter einem dichten
Haselnussstrauch, befand sich eine Metalltür, ebenso grau wie der Fels und beinahe
unsichtbar.
Der Mann schaute sich
um, dann drückte er die schwere Tür auf. Sie quietschte kaum. Wahrscheinlich
war sie gut geölt. Maria wurde vorwärtsgeschoben. Kurz bevor sie über die
Schwelle trat, ließ sie ihr Handy ins Laub fallen. Vielleicht fand es jemand.
Es war eingeschaltet. Vielleicht würde die Polizei es orten. Irgendwann. Wenn
der Xaver sie vermisste.
Sie betraten einen
steinernen Gang mit gewölbter Decke. Von der Decke hingen kalkbestäubte
Spinnweben. Irgendwo lag der Torso einer Kleiderpuppe, die Maria im trüben
Licht der Vierzig-Watt-Birne, die nahe dem Eingang von der Decke hing, eine
Schrecksekunde lang für eine Leiche hielt. Ein paar alte Kartons standen im
Weg, dahinter befand sich der Absatz einer Treppe. Stufen, die nach oben
führten und nach wenigen Metern im Dunkel verschwanden.
»Los, rauf da!«, befahl
die Berggrün.
Ihre Stimme hallte
zwischen den Wänden. Der Mann sprach die ganze Zeit kein Wort. Vielleicht hatte
er nichts zu sagen? Es ging steil aufwärts. Maria kam aus der Puste, aber die
Frau trieb sie unbarmherzig an. Es handelte sich um ein ziemlich enges und vollständig
aus dem Stein gehauenes Treppenhaus mit ungleichmäßigen Stufen, die hier und da
gefährlich bröckelten. Einmal huschte eine Ratte über Marias Füße. Mit Mühe
verkniff sie sich einen Schrei. Dann erreichten sie einen weiteren
Treppenabsatz. Fünfundachtzig Stufen, dachte Maria außer Atem. Automatisch
hatte sie mitgezählt. Die meisten Treppen in normalen Häusern hatten vierzehn
Stufen, was bedeutete, dass sie etwa sechs Etagenhöhen zurückgelegt hatten.
Wieder standen sie vor einer Metalltür, die mit einem Graffiti beschmiert war:
ein schwarzes Rad mit Speichen und daneben das Wort »Schweine«.
Von der anderen Seite
der Tür näherten sich dumpfe Schritte. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss,
das erstaunlicherweise aussah wie ein hochmodernes Sicherheitsschloss. Grelles
Licht fiel Maria ins Gesicht. Wieder standen sie in einem steinernen Gang, der
ebenso dreckig war wie das Treppenhaus. An den Wänden befanden sich weitere
Graffitis, die allerdings nicht aus Farbsprühdosen zu stammen schienen,
Weitere Kostenlose Bücher