Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
offen.
»Sie warten hier
draußen, Herr Birnbaum.«
»Kommt nicht in Frage!«
Birnbaum drängte sich an der Kommissarin vorbei in die Wohnung. »Wenn dieses
Weib meiner Frau etwas angetan hat, dann …«
Bichler fand den
Lichtschalter. Alles war still, die Wohnung war leer.
»Der Vogel ist
ausgeflogen«, stellte die Kommissarin fest. »Besser gesagt, er ist noch nicht
wieder ins heimische Nest zurückgekehrt, nachdem er die Frau Birnbaum
aufgelesen hat.«
Bichler öffnete die Tür
zur Küche, zum Schlafzimmer. In einem kleinen Regal am Kopfende des Bettes
befanden sich Bücher und Broschüren.
»Keltische Mythen. Kraft
der Druiden. Heidnisches Licht.« Bichler schüttelte den Kopf. »Und hier, die
Faltblätter vom Heimatverein Sonnenrad. Wir haben tatsächlich das fehlende
Glied gefunden.«
»Und schauen Sie mal
hier! Das ist ja unfassbar!« Die Kommissarin deutete auf eine gerahmte
Fotografie, die auf Frau Berggrüns Nachtschrank stand und die Lehrerin in
inniger Umarmung mit dem stark gealterten Hermann Graue zeigte. Das Foto schien
neu zu sein. »Der Meister und sein neues Liebchen. Mindestens fünfzehn Jahre
jünger als die Langner und ein gutes Stück hübscher, würde ich sagen.«
»Wo ist das denn
aufgenommen?«, fragte Bichler und nahm seiner Chefin das Bild aus der Hand. Im
Hintergrund war ein Ladeneingang zu erkennen.
»Julius Zarm, Spielwaren …«, murmelte Bichler.
»Zarm? Den Namen habe
ich doch kürzlich gehört.« Die Kommissarin betrachtete nun ihrerseits das Bild
aus der Nähe. »Gab es da nicht ein Mitglied vom Verein Sonnenrad, das Zarm
hieß?«
»Klar, Chefin!«, rief
Bichler triumphierend. »Julius Zarm, der polnische Staatsbürger, der in
Rosenheim zu arbeiten anfing und dann spurlos verschwand!«
»Es würde mich nicht
wundern, wenn Zarm der Tote aus der Scheune in Amerang war«, sagte die
Kommissarin. »Therese Langner hat ihn als Hermann Graue identifiziert, während
der echte Graue mit den Papieren von Zarm, der etwa im gleichen Alter war und
in Deutschland keine Familie besaß, ein neues Leben begann.«
»Und zwar als Besitzer
eines Spielwarenladens«, fuhr Bichler fort. »Ein Spielzeugladen in … Ja, wo
könnte das sein?«
»Vielleicht in
Rosenheim«, sagte Birnbaum, der hinzugetreten war und sich ebenfalls über das
Foto beugte.
Die Kommissarin nickte.
»Das wäre möglich. Bichler, lassen Sie das sofort überprüfen! Und fordern Sie
Verstärkung an. Wir müssen eine Fahndung rausgeben.«
Bichler verkrümelte sich
ins Badezimmer, wo er sich auf den Wannenrand setzte, um zu telefonieren.
Helga Wintersruh ließ
den Blick abermals über die Bücher gleiten. »Dieses ganze Keltenzeug. Der
Verein Sonnenrad, der einer neuen Elite zur Macht verhelfen will. Der verrückte
Gartelmann hat nicht gelogen, schon damals nicht, als er seine Anzeigen
machte.«
»Verstärkung kommt
sofort«, meldete Bichler. »Und wir haben ins Schwarze getroffen! Vor
viereinhalb Jahren hat ein Julius Zarm in Rosenheim ein Spielwarengeschäft
eröffnet. Ein ganz kleiner Laden. Dient wahrscheinlich nur der Tarnung. Graue
wird über genügend andere Einnahmequellen verfügen. Vielleicht nutzt er den
Laden auch als Treffpunkt und als Vertriebsort für seine Propaganda.«
»Ist im Moment auch
egal«, unterbrach ihn die Kommissarin. »Wir haben jetzt andere Sorgen. Wir
müssen die Berggrün finden. Und vor allem natürlich die Frau Birnbaum.«
»Es muss noch einen
anderen Ort geben als diesen kleinen Ramschladen. Ein größeres Zentrum.
Vielleicht eine Art Kultstätte, wo alle Fäden zusammenlaufen.«
Birnbaum war blass
geworden. Es hielt ihn nicht mehr in der Wohnung. »Wenn die Berggrün meiner
Frau was angetan hat, bringe ich sie um!«
»Genau aus diesem Grund
sollten Sie alles Weitere uns überlassen«, sagte Kommissarin Wintersruh
bestimmt und begleitete ihn zu seinem Wagen. »Es handelt sich nicht nur um Frau
Berggrün. Da steckt eine größere Organisation dahinter, Herr Birnbaum. Ich
versichere Ihnen, dass wir alles Menschenmögliche tun werden, um Ihre Frau zu
finden.«
»Sie glauben doch nicht
ernsthaft, dass ich jetzt nach Hause fahre und Däumchen drehe, während meine
Frau in Gefahr ist? Ich werde sie jetzt suchen, und niemand wird mich
abhalten!«
»Nein, abhalten kann ich
Sie nicht, Herr Birnbaum, und ich kann Sie sogar verstehen. Aber bitte bewahren
Sie Ruhe, was auch immer …«
Den Rest hörte Birnbaum
nicht mehr. Er war bereits wieder in seinen Wagen gesprungen und gab
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