Der Kommandant und das Mädchen
Während wir ihre Anweisung befolgen, stehen die Gestapo-Leute an der Tür und verlangen von einigen, anscheinend willkürlich ausgewählten Fahrgästen, dass sie sich ausweisen sollen. Ich halte meine Papiere bereit, werde aber durchgewunken. Als alle wieder Platz genommen haben, stellt sich ein Gestapo-Offizier auf die unterste Stufe der Tür und brüllt: “Klopowicz, Henrik!” Im Bus herrscht Stille. Der Offizier wiederholt den Namen, sein Gesicht verfärbt sich vor Wut rot. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie ein Mann zaghaft die Hand hebt. Sein Gesicht ist kreidebleich. Ich drehe mich nicht zu ihm um, sondern sehe weiter stur geradeaus. “Los, schnell!”, brüllt der Deutsche den Mann an. Der steht auf und begibt sich nur widerstrebend zur Tür, wo der Offizier ihn am Arm packt und nach draußen zerrt. Dann gehen die Bustüren zu.
Seit ich meine Stelle angetreten habe, ist dieser Mann jeden Tag mit mir in die Stadt gefahren. Auf mich wirkte er immer unscheinbar, wie irgendein Arbeiter unter vielen. Ich frage mich, was er verbrochen hat oder was ihm unterstellt wird, dass man ihn gleich festnimmt. Etwas muss vorgefallen sein, denn es kommt mir nicht so vor, als hätte man ihn willkürlich aus dem Bus geholt. Mir schaudert, als der Bus sich erneut in Bewegung setzt.
Gut eine Viertelstunde später habe ich die Wawelburg erreicht und eile die Treppen hinauf. Malgorzata sitzt bereits an ihrem Schreibtisch, als ich den Empfangsbereich betrete. Die Uhr an der Wand zeigt halb neun. Der Kommandant wartet schon seit einer halben Stunde auf mich.
“Dzień dobry”
, sagt Malgorzata herablassend. Ihre Begrüßung kommt einem Tadel gleich:
Sie sind zu spät, ich nicht.
Ich nicke ihr flüchtig zu und eile weiter. Sie will noch etwas anfügen, doch ich bin bereits in mein Vorzimmer verschwunden und schließe die Tür hinter mir. In meinem Büro ist es warm, im Ofen lodert ein Feuer. Offenbar hat Malgorzata das für mich gemacht. Manchmal gibt sie sich wirklich Mühe, überlege ich, während ich Hut und Handschuhe ablege. Ich sollte tatsächlich etwas netter zu ihr sein.
Als ich meinen Mantel ausziehen will, wird die Tür zum Empfangsbereich geöffnet. Es ist Malgorzata.
“Ja?”, frage ich und sehe über die Schulter zu ihr.
“Der Kommandant ist bei einer Besprechung am Außenring”, sagt sie.
Ich drehe mich zu ihr um. “Hat er erwähnt, wann er zurück sein wird?”
Sie schüttelt den Kopf. “Nein, ich soll Ihnen nur ausrichten …” Mitten im Satz hält sie inne und sieht mich mit großen Augen an.
“Was ist los? Stimmt etwas nicht?”
Malgorzata antwortet nicht, und als ich ihrem Blick folge, wird mir der Grund für ihr Verhalten klar. Sie starrt auf meinen Bauch, ihr Mund steht weit offen. Beim Ausziehen ist mein Pullover am Mantel hängen geblieben, und ich habe ihn unbemerkt so weit hochgezogen, dass mein rundlicher Bauch zu sehen ist.
“Malgorzata …”, setze ich an, weiß aber nicht, wie ich weiterreden soll.
Sie will so überhastet mein Büro verlassen, dass sie auf dem Weg zur Tür über den Teppich stolpert. Dabei bekomme ich sie am Arm zu fassen, sodass sie nicht hinfällt. “Warten Sie bitte …” Sie reißt sich los. “Ich kann es erklären”, sage ich, obwohl ich gar nicht wüsste, wie ich meine Schwangerschaft erklären sollte.
Ohne mich anzusehen, murmelt sie: “Ich muss gehen. Ich habe noch viel Arbeit zu erledigen, bis der Kommandant zurückkommt.”
“Malgorzata”, versuche ich einen weiteren Anlauf, doch sie geht und wirft die Tür hinter sich zu.
O Gott! Langsam lasse ich mich auf meinen Stuhl sinken, während mir übel wird. Sie hat meinen Bauch gesehen, sie weiß, dass ich schwanger bin. Ich überlege, ob ich zu ihr laufen und sie bitten soll, nichts darüber verlauten zu lassen. Aber das ist sinnlos. Sie hat seit Monaten darauf hingearbeitet, meine Gunst zu gewinnen. Sie hoffte, ich würde sie zu meiner Verbündeten und Vertrauten machen, wo ich eine so gute Beziehung zum Kommandanten habe. Jetzt muss sie nicht länger nett zu mir sein, denn sie hat die Information, die sie benötigt, um mich loszuwerden. Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis sie es dem Kommandanten erzählt.
“Ich habe Kontakt mit der Bewegung aufgenommen”, erfahre ich einige Tage später von Krysia, nachdem wir Łukasz zu Bett gebracht haben. Wir sitzen im Salon und sortieren die Kleidungsstücke, die sie den ganzen Tag über gewaschen hat.
Überrascht sehe ich auf und vergesse das
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