Der Kommandant und das Mädchen
Kind sein.” Sie zieht die Augenbrauen hoch, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. “Daran gibt es nichts zu rütteln.” Damit weiß ich, dass das Geheimnis unter uns bleiben wird.
“Jakubs Kind”, wiederhole ich zögerlich. Will Jakub überhaupt Kinder haben? Es gab Zeiten vor dem Krieg, da war ich mir dessen nicht sicher. Einmal vor unserer Heirat sprachen wir über Politik. Damals war er sich nicht sicher, ob er ein Kind in einer Welt aufwachsen lassen will, in der es so viele Probleme und so große politische Ungerechtigkeiten gibt. Seine Worte hatte ich wie eine Ohrfeige empfunden. Ich wollte immer eine eigene Familie haben. Allerdings reagierte ich nicht darauf und widersprach ihm auch nicht. Ich sagte mir, er wird seine Meinung schon ändern, wenn wir erst einmal verheiratet sind und er sein Studentenleben gegen eine ordentliche Arbeit eingetauscht hat. Doch dazu kam es nie, weil der Krieg ausbrach und er sich politisch mehr als je zuvor engagierte. Wir sprachen das Thema nie wieder an, und so frage ich mich, wie er wohl jetzt darüber denkt. Hat der Krieg ihn in seiner Einstellung bestärkt, in diesen Zeiten keine Kinder in die Welt zu setzen? Vielleicht wird er unglücklich über meine Schwangerschaft sein, selbst wenn er das Kind für sein leibliches hält. Dann erinnere ich mich an den Tag, als er mich besuchte. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich hinkniet, um mit Łukasz zu reden. Vielleicht wird er ja erkennen, wie wichtig es ist, den jüdischen Glauben durch unsere Kinder an die Nachwelt weiterzugeben.
Diese Dinge spreche ich Krysia gegenüber nicht an. Bestimmt nimmt sie an, dass Jakub Kinder will und dass er ein guter Vater sein wird. “Du musst davon ausgehen, dass es sein Kind ist”, fügt sie noch hinzu, da sie mein Schweigen offenbar meinen Zweifeln an der Vaterschaft zuschreibt. “Notfalls kannst du immer noch behaupten, das Kind sei zu früh zur Welt gekommen.”
Ich sehe sie rätselnd an. “Wie meinst du das?”
“Auf diese Weise passen die Termine zusammen. Frauen, die noch vor ihrer Hochzeit schwanger werden, haben seit jeher diese Ausrede benutzt.”
“Oh”, mache ich überrascht. Mir wird klar, von wie vielen Dingen ich gar keine Ahnung habe.
Sie verzieht den Mund zu einem flüchtigen Lächeln. “Welche Ironie, dass ausgerechnet ein Nazi dazu beigetragen haben könnte, einem weiteren jüdischen Kind zum Leben zu verhelfen.”
“Wenn der Kommandant es herausfindet …”, beginne ich erschrocken, breche aber mitten im Satz ab.
Krysia wird schnell wieder ernst. “Richwalder darf nichts von dem Kind erfahren. Wir müssen dich irgendwie aus der Stadt bringen, bevor es offensichtlich wird. Ich werde versuchen, mich mit den verbliebenen Mitgliedern des Widerstands in Verbindung zu setzen.” Innerlich zucke ich zusammen. Man wird sicherlich mir die Schuld an dieser misslichen Lage geben und sich darüber beklagen, dass der Widerstand sich in einer so schwierigen Zeit mit meinen Problemen befassen muss. Und wenn Marta davon erfährt … ihr traue ich zu, dass sie vermutet, dass der Kommandant der Vater ist.
“Zum Glück sieht man es dir noch nicht an”, redet Krysia weiter. “Aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Wir müssen dir Kleidung besorgen, die lockerer sitzt, damit niemand etwas bemerkt. Selbst wenn ich einen Kontakt zur Bewegung herstellen kann, können Wochen vergehen, bis man einen Fluchtplan für dich ausgearbeitet hat. Kannst du bis dahin weiter so tun, als seist du an Richwalder interessiert?” Ich nicke. “Gut. Es wird nicht nur darum gehen, dich aus der Stadt zu bringen. Du musst irgendwohin, wo Richwalder dich nicht finden kann, wenn ihm erst einmal klar geworden ist, dass du geflohen bist.” Mir schaudert, da ich mir vorstelle, wie ich mich im Wald verstecke, während die Deutschen ausschwärmen und mich wie ein Tier jagen.
“Was ist mit Jakub?”, will ich wissen.
“Gute Frage. Wir müssen herausfinden, wo er sich aufhält und wann er wieder genügend bei Kräften ist, um aufzubrechen. Dann könnt ihr zwei euch gemeinsam auf den Weg machen. Am besten zu Frühlingsbeginn, wenn der Schnee taut. Ich bin mir sicher, ihr werdet den Weg durch die Berge nehmen müssen.”
“Und Łukasz?” Als der Junge seinen Namen hört, sieht er zu mir hoch.
Krysia beißt sich auf die Lippe. Ich sehe ihr an, dass sie an unseren Streit denkt, indem es darum ging, Łukasz von hier wegzubringen. “Ich weiß es nicht. Lass mich erst einmal versuchen, an
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