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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Informationen zu gelangen, dann sehen wir weiter.”
    “Meine Eltern …?”
    Auch diesmal schweigt sie zunächst. Ich weiß, ich bombardiere sie mit Fragen, auf die sie keine Antworten weiß, aber ich kann einfach nicht anders. “Ich fürchte, jetzt ist es völlig unmöglich geworden, sie noch aus dem Ghetto zu holen”, erwidert sie mit sanfter Stimme.
    Mir wird klar, was ihre Worte zu bedeuten haben. “Ich verstehe”, gebe ich zurück. “Aber bevor ich fortgehe, muss ich wissen, wie es ihnen geht.”
    Krysia legt die Stirn in Falten. Sie wird kein Versprechen geben, das sie nicht halten kann. In den Wochen nach dem Attentat ist es noch viel schwieriger geworden, an Informationen über das Ghetto zu kommen. “Ich werde versuchen, es für dich herauszufinden.” Sie erhebt sich von ihrem Platz.
    “Danke”, sage ich und fasse ihre Hand. “Für alles.”
    “Ich räume hier auf”, meint sie, während sie meine Schulter tätschelt. “Ruh du dich ein bisschen aus und mach dir nicht zu viele Sorgen.”
    Ich gehe bis zum Fuß der Treppe, wo ich stehen bleibe und mich zu Krysia umdrehe. Sie nimmt einen Teller in die Hand, aber ihr Blick ist starr auf die Wand gerichtet. Vermutlich ist sie in Gedanken wieder bei ihrem Kind. Es muss schmerzhaft gewesen sein, all die Jahre die Wahrheit vor Marcin zu verschweigen. Werde ich eines Tages so sein wie Krysia? Allein mit meinen Geheimnissen, während ich meine Entscheidungen bereue, die ich traf, weil ich überleben wollte? Der Gedanke ist fast unerträglich. Übelkeit überkommt mich in diesem Moment, und ich laufe schnell die Treppe hinauf.

22. KAPITEL
    N ach diesem Abend kommen wir nicht wieder auf meine Schwangerschaft zu sprechen. Einige Wochen später liegen auf meinem Bett ein neuer Rock und zwei neue Pullover. Sie sehen meiner anderen Kleidung recht ähnlich, die ich sonst zur Arbeit trage, allerdings sind die Pullover etwas länger und weiter, und der Rock hat einen dehnbaren Bund. Beides wird mir helfen, meinen Bauch für eine Weile vor den Blicken der anderen zu verbergen. Mich wundert, woher Krysia diese Kleidung bekommen haben mag.
    Wenigstens wird mich niemand fragen, warum ich so warme Sachen trage, überlege ich, als ich mich erstmals neu eingekleidet auf den Weg ins Büro mache. Zwar haben wir bereits Anfang März, aber es ist noch immer bitterkalt, und den Boden bedeckt nach wie vor eine dünne Schicht aus Eis und Schnee. Wie auf ein Stichwort hin setzt ein durchdringender, frostiger Wind ein, der von den Hügeln herunterweht. Ich ziehe meinen Wintermantel enger um mich und gehe los. An der Haltestelle muss ich nur wenige Minuten warten, bis der Omnibus vorfährt. Während wir einsteigen, beobachte ich verstohlen die anderen Fahrgäste. Merken diese Leute, mit denen ich fast jeden Tag diese Strecke fahre, dass etwas anders ist? Nein, es sieht nicht so aus. Jeder hat genug mit sich selbst und dem eigenen Überleben zu tun, daran hat sich nichts geändert.
    Am Morgen nach meinem Gespräch mit Krysia bin ich von Łukasz geweckt worden, der neben dem Bett stand und mit seinen winzigen Händen mein Gesicht tätschelte. Als ich in die Küche kam, war Krysia nirgends zu sehen. Ich ahnte, dass sie aus dem Haus gegangen war, um Kontakt mit der Bewegung aufzunehmen. Łukasz gab ich eine Schale mit Haferbrei, mir selbst war zu übel und ich konnte keinen Bissen herunterbekommen. Gerade begann ich nach dem Frühstück damit, etwas aufzuräumen, da hörte ich die Haustür knarren. Ich stellte das Geschirr fort und trat auf den Flur, wo Krysia den Schnee von ihren Stiefeln klopfte. “Ich habe die Nachricht übermittelt”, ließ sie mich wissen. “Jetzt können wir nur abwarten.”
    An diese Worte muss ich denken, während der Bus einen Satz nach vorn macht, da die Reifen auf der vereisten Straße nur mühsam Halt finden. Wie lange kann ich noch warten? Krysias Bemerkung über meine Schwangerschaft geht mir nicht aus dem Kopf: Der Kommandant darf davon nichts erfahren. Zum Glück muss ich meinen Zustand nur im Büro vor ihm verbergen. Seit Wochen nimmt seine Arbeit ihn so sehr in Anspruch, dass er kaum einmal den Versuch unternimmt, sich mit mir nach Feierabend zu treffen. Seine hastigen Entschuldigungen akzeptiere ich nur zu gern. Würde er jetzt versuchen, mich zu berühren, dann wäre ihm die Wahrheit sofort offenkundig.
    Meine Gedanken wandern weiter zu Jakub. Krysia sprach von der Möglichkeit, dass ich wieder mit ihm zusammenkomme und wir gemeinsam die Stadt

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