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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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sein. Wenn ich für ihn so wichtig wäre, dann wären wir jetzt zusammen. Dann wäre er nicht verletzt, und ich wüsste, es wäre sein Kind, das ich in mir trage. Doch so einfach ist das alles nicht. Wäre Jakub nicht in den Untergrund gegangen, hätte ich Menschen wie Krysia nie kennengelernt. Und vielleicht wäre ich dann längst in irgendeinem Lager, vielleicht sogar schon tot. Krysia hat natürlich recht: Jakub würde von mir erwarten, alles Notwendige zu tun, um zu überleben.
    “Was ist mit dir und Łukasz?”, frage ich sie einige Minuten später, als sie die Teegläser auf den Tisch stellt.
    Kopfschüttelnd setzt sie sich zu mir. “Wir können nicht alle gemeinsam von hier weggehen. Dass du jetzt aufbrechen musst, obwohl der Schnee in den Bergen noch sehr hoch liegt, macht es für dich schon gefährlich genug. Łukasz könnte diese Strecke nicht bewältigen und würde dich nur aufhalten. Ich habe mit dem Widerstand vereinbart, dass er aufs Land gebracht und dort versteckt wird, sobald du dich auf den Weg machst.”
    “Warum denn das?” Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass Łukasz diese vertraute Umgebung verlassen soll, um bei irgendwelchen Fremden untergebracht zu werden.
    “Emma, sobald du fort bist, wird die Gestapo herkommen und nach dir suchen. Ich werde ihnen sagen, dass du Verwandte in Gdańsk besuchen wolltest. Aber es muss so aussehen, als würde Łukasz dich begleiten. Darum müssen wir ihn woanders unterbringen.”
    Ich erwidere nichts, wortlos trinken wir unseren Tee, nur begleitet vom Ticken der Standuhr im Flur. Nach einer Weile räuspere ich mich. “Krysia, da wäre noch etwas”, beginne ich. “Meine Eltern …”
    “O ja.” Sie streicht ihren Rock glatt und weicht meinem Blick aus. “Ich habe mich nach ihnen erkundigt, als ich mich um deinen Fluchtplan gekümmert habe. Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut, aber mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ich hatte gehofft, mehr Informationen zu bekommen, bevor ich dir gegenüber etwas erwähne.” In ihrer Stimme schwingt ein Unbehagen mit, das mich erkennen lässt, dass sie mir irgendetwas verschweigt.
    “Ich muss sie noch einmal sehen, bevor ich fliehe.”
    Entschieden schüttelt sie den Kopf. “Tut mir leid, das ist nicht möglich.”
    “Bitte”, flehe ich sie an. “Ich kann nicht weggehen, ohne mich von ihnen zu verabschieden.”
    “Emma, nun sei doch vernünftig”, erwidert sie ungehalten. “Podgorze ist zu gefährlich. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden seit dem Attentat noch verschärft, überall gibt es Kontrollpunkte, vor allem rund um das Ghetto. Du würdest dein Leben riskieren, wenn du hingehst. Und selbst wenn du es bis zum Ghetto schaffst, was willst du machen? Etwa hineingehen?”
    “I-ich weiß nicht”, gestehe ich nach kurzem Zögern. “Nein, natürlich will ich nicht hineingehen. Aber vielleicht entdecke ich ein Loch in der Mauer, so wie das, durch das ich damals fliehen konnte. Ich könnte mich mit ihnen an der Mauer unterhalten oder wenigstens eine Nachricht an sie übermitteln.”
    “Das ist zu gefährlich”, widerspricht sie in einem sanfteren Tonfall. “Ich werde veranlassen, dass jemand von der Bewegung ein Auge auf deine Eltern hat, sobald du gegangen bist.”
    Das kann mich nicht überzeugen. Ich habe zwar keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte, doch ich begegne ihnen mit Misstrauen. Immerhin hat mir die Erfahrung mit der Bewegung gezeigt, dass man immer nur dann nach meinen Eltern sehen wollte, wenn es im eigenen Interesse geschah oder es mit keinerlei Mühen verbunden war. Meine Familie ist für den Widerstand nebensächlich gewesen. Einmal mehr verfluche ich, dass ich diesen Leuten vertraut und ich nicht schon vor Monaten versucht habe, meine Eltern auf anderen Wegen aus dem Ghetto zu holen.
    Aber ich weiß, diese Diskussion würde Krysia in jedem Fall für sich entscheiden. “Und was ist mit dem Kommandanten?”, frage ich stattdessen.
    “Was soll mit ihm sein?”
    “Er wird dir sicher nicht glauben, dass ich ausgerechnet an dem Tag Verwandte besuche, an dem ich nach Österreich abreisen soll.”
    “Lass den Kommandanten mal meine Sorge sein”, erwidert sie und kneift ein wenig die Augen zusammen.
    “Sein Vorschlag schien dich gar nicht zu überraschen”, bemerke ich.
    “Natürlich nicht. Schließlich liebt er dich.”
    “Ja, ich weiß”, antworte ich und blicke zur Seite.
    Überrascht von meinem Tonfall sieht sie hoch. “Was ist? Stimmt etwas

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