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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Papiere hoch. “Wenn Sie die hier mitnehmen könnten …”
    Ich gehe zu ihm, aus dem Augenwinkel fällt mir das gerahmte Foto auf seinem Schreibtisch auf. Es zeigt den Kommandanten und eine jüngere, dunkelhaarige Frau. Wer sie wohl ist? Als ich mich ihm nähere, fallen mir seine Augen auf, die jetzt mehr blau als grau zu sein scheinen. Meine Knie zittern. Ich greife nach den Papieren, unsere Hände berühren sich dabei kurz – so wie auf der Abendgesellschaft.
    Als ich die Papiere habe, mache ich einen Satz nach hinten. Ich spüre, dass meine Ohren förmlich glühen. “D-danke, Herr Kommandant”, bringe ich heraus und will zur Tür gehen.
    “Anna, warten Sie …”
    Ich drehe mich zu ihm um. “Ja?”
    Ich kann ihm ansehen, dass er versucht, den roten Faden in seinem Gedankengang wieder aufzugreifen. “Haben Sie sich hier gut eingelebt?”, will er von mir wissen. Seine Frage kommt so überraschend, dass mir zuerst gar keine Erwiderung einfallen will. “Ich meine, bekommen Sie von Malgorzata und den anderen alles, was Sie benötigen, um Ihre Arbeit zu erledigen?”
    “O ja, Herr Kommandant. Jeder hier ist sehr hilfsbereit.”
    “Gut. Und die Anfahrt zum Büro?”
    Ratlos lege ich den Kopf schräg.
    “Ich will damit sagen: Ist der Weg nicht zu weit und mühselig für Sie? Ich möchte nicht, dass das der Fall ist. Ich könnte meinen Fahrer …” Er sieht mich hilflos an, seine Stimme wird leiser, der Satz bleibt unvollendet. Auf einmal wird mir bewusst, dass er in meiner Gegenwart nervös ist.
    “An der Fahrt hierher habe ich nichts auszusetzen, Herr Kommandant”, erwidere ich betont sachlich, während mein Herz wie wild schlägt.
    “Gut”, sagt er wieder. Unsere Blicke lösen sich noch immer nicht voneinander, obwohl das Gespräch beendet ist. Bis auf das Ticken der Standuhr ist kein Geräusch zu hören.
    Plötzlich dringt von der Tür her ein leises Kratzen an mein Ohr, vor Schreck wirbele ich herum. Oberst Diedrichsen steht in der Türöffnung, eine Aktentasche in der Hand. “Herr Kommandant, die Besprechung …”, beginnt er.
    “Ja, natürlich.” Der Kommandant räuspert sich, steht auf und geht wortlos an mir vorbei, um dem Oberst aus dem Büro zu folgen.
    Als ich allein bin, begebe ich mich in mein Vorzimmer zurück. Noch immer zittern meine Hände leicht, so wie nach jeder Begegnung mit dem Kommandanten. Doch seine Reaktion … es ist das erste Mal, seit ich für ihn arbeite, dass er um Worte verlegen ist. Ich frage mich, ob …
Du hast keine Zeit für solche Gedanken
, ermahne ich mich.
Reiß dich zusammen!
Ich höre tiefe Stimmen und schwere Schritte im Korridor. Es handelt sich um weitere Offiziere, die auf dem Weg zur gleichen Besprechung sind wie der Kommandant. Als die Unruhe sich gelegt hat und mehrere Minuten verstrichen sind, verlasse ich mein Büro und gehe mit Notizblock und einem kleinen Stoß Papiere in der Hand in den Empfangsbereich.
    “Malgorzata, ich muss ein paar Dinge im Haus erledigen.” Ich versuche, meine Stimme so wie immer klingen zu lassen.
    “Ich kann behilflich se…”, bietet sie sich sofort an, doch ich hebe meine Hand, um sie zu stoppen.
    “Danke, aber das ist nicht nötig.” Dabei verfalle ich in den bestimmenden Tonfall, der bei ihr die beste Wirkung erzielt. Als ich ihre bestürzte Miene sehe, rede ich etwas sanfter weiter: “Es ist bloß so, dass ich den ganzen Tag in diesem Zimmer verbringe, da tut es mir gut, wenn ich mir zwischendurch auch mal die Beine vertreten kann.” Sie zuckt beiläufig mit den Schultern und widmet sich wieder ihrer Arbeit.
    Oberst Kirchs Büro befindet sich auf der gleichen Etage wie meines, liegt aber im hinteren Teil der Burg. Ich gehe durch den langen Korridor und nicke den Leuten zu, die mir entgegenkommen. Als ich mich dem Büro nähere, bekomme ich einen Schreck: Seine Sekretärin sitzt noch an ihrem Platz. Aleks Information muss falsch sein. Oder die Frau hat sich entschlossen, diese Woche nicht zum Friseur zu gehen. Ich bemühe mich, nicht in Panik zu geraten, und gehe an dem Büro vorbei. Im Flur überlege ich, was ich nun machen soll, und entscheide mich für einen zweiten Anlauf. Als ich in entgegengesetzter Richtung abermals das Büro passiere, macht die Sekretärin noch immer keine Anstalten, ihren Platz zu verlassen. Länger will ich mich nicht in diesem Korridor aufhalten, da ich fürchte, jemand könnte auf mich aufmerksam werden. Also beschließe ich, erst meine eigentliche Besorgung zu erledigen – ich

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