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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Zeit am selben Ort zu sein.
    “Und wie geht es dir?”, fragt er mich. Sein Gesicht wirkt dunkler, und um seine Nase herum schält sich die Haut, als habe er seit unserer letzten Begegnung sehr viel Zeit unter freiem Himmel verbracht.
    Ich zögere. Zwar glaube ich, dass er nicht wirklich daran interessiert ist, wie es mir geht, aber die Antwort fällt mir dennoch schwer. Wie geht es mir als Emma, die sich um ihren Ehemann und ihre Eltern sorgt, von denen sie getrennt ist? Und wie geht es mir als Anna, die mit ihrer falschen Identität im Hauptquartier der Nazis für den Kommandanten arbeitet und versucht, die stetig stärker werdenden Gefühle für ihn zu ignorieren? Die Antwort dürfte so oder so “müde, traurig und unsicher” lauten. Aber als Jüdin geht es mir besser als den meisten anderen, und ich weiß, ich habe keinen Grund zur Klage. “Gut”, antworte ich schließlich.
    Alek lächelt sanft, er lässt sich von meiner Erwiderung nicht täuschen. “Wie ich höre, geht es deiner Mutter besser.”
    Ich nicke. Krysia sagte mir erst vor wenigen Tagen, dass das Fieber nachgelassen habe und Mutter schon wieder aufstehen kann.
Was sie weder dir noch Marek zu verdanken hat
, möchte ich Alek am liebsten an den Kopf werfen.
    “Vielleicht werden wir in einigen Wochen oder Monaten in der Lage sein, ihr und deinem Vater zu helfen”, fährt er fort.
    “Vielleicht”, wiederhole ich ohne Gefühlsregung. Früher hätten mich seine Worte mit Freude erfüllt, aber ich habe längst zu viel Angst, mir falsche Hoffnungen zu machen. Innerhalb weniger Wochen kann sich die Situation im Ghetto grundlegend ändern, und wer will schon sagen, was dann noch möglich sein wird und was nicht?
    “Wie ist die Arbeit in der Burg?”
    “Ganz gut. Übrigens bin ich froh, dass du mich herbestellt hast.” Ich berichte von der Reise des Kommandanten nach Berlin und von einigen seiner Besprechungen, die von Bedeutung sein könnten.
    “Sonst noch etwas?”, fragt Alek, als ich fertig bin, doch ich schüttele den Kopf. “Danke für diese Informationen. Das meiste davon wussten wir bereits, trotzdem ist es hilfreich.”
    “Gern geschehen.” Ich bin froh, dass ich endlich einmal etwas bieten kann, das wenigstens ein bisschen von Nutzen ist.
    “Emma, ich kann nicht lange bleiben, darum muss ich sofort zur Sache kommen. Ich habe dich aus einem bestimmten Grund herkommen lassen. Es gibt da noch etwas anderes, was du für uns tun kannst.” Er hat es gewagt, in der Öffentlichkeit meinen wahren Namen zu benutzen. Dann muss es ein wirklich wichtiges Anliegen sein.
    “Natürlich. Alles, was ihr wollt.” Ich habe keine Ahnung, warum ich das sage.
    Er hebt seine Hand. “Höre mich erst an. Emma, durch unsere Quellen haben wir Grund zu der Annahme, dass die Nazis eine große Sache planen, die die Juden im Ghetto betrifft. Wir haben versucht, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, was genau passieren soll, aber wir kommen nicht weiter. Wenn wir wissen, was kommen wird, ist es uns vielleicht möglich, es zu verhindern oder zumindest um ein paar Tage hinauszuzögern. Wir benötigen dringend Informationen.”
    Ich muss erschrocken schlucken. Wenn ihre besten Quellen nichts zutage fördern, wie kann ich dann behilflich sein?
    “Wenn da wirklich etwas vorbereitet wird”, fährt er fort, “dann müssen bereits erste Schritte unternommen worden sein. Richwalder wird davon wissen.”
    “Aber er …” Ich will sagen, dass der Kommandant sich nicht an Maßnahmen gegen die Juden beteiligt, doch im selben Moment wird mir meine eigene Naivität bewusst, und ich verstumme.
    “Ich weiß, der ehrbare Kommandant macht sich für gewöhnlich nicht selbst die Hände schmutzig”, gibt Alek verbittert zurück. “Aber wenn etwas Großes bevorsteht, dann muss es auch über seinen Schreibtisch laufen. Du bist unsere einzige Hoffnung, herauszufinden, was da kommt.”
    “Was soll ich machen?”
    “Ist dir in Richwalders Büro irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?”
    Ich schüttele den Kopf. “Gar nichts. Dabei habe ich auf fast alles Zugriff. Das Einzige, was ich nicht zu sehen bekomme, sind vertrauliche Mitteilungen, doch davon gab es in der letzten Zeit nicht allzu viele.”
    Alek streicht sich über seinen Kinnbart. “Dann ist es so, wie ich vermute. Er wird Unterlagen zu Hause aufbewahren.”
    “Er arbeitet von zu Hause aus”, bestätige ich. Alek sieht mich an, als wundere er sich, woher ich das weiß. “Manchmal lässt er sich von mir eine

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