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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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könnte ich mich in aller Ruhe umsehen, ohne ihm überhaupt näherkommen zu müssen. “Vielen Dank”, sage ich, als er mir ein Glas hinhält. Ich nippe daran und muss fast husten, so sehr brennt der Alkohol in meinem Hals.
    Der Kommandant trinkt sein Glas in einem Zug leer, geht zum Fenster und zieht die schweren Vorhänge auf. Auf der Scheibe liegt ein grauer Schmutzfilm. “Fehlt Ihnen das Meer, Anna?”
    Ich stutze, da mich seine Frage völlig unvorbereitet trifft. “Ich habe noch nie …” Mitten im Satz halte ich inne. Fast hätte ich gesagt, dass ich noch nie das Meer gesehen habe. Aber Anna kommt aus Gdańsk, und das ist eine Hafenstadt. Für einen Moment habe ich nicht daran gedacht, welche Rolle ich spiele.
    “Noch nie was?”, will er wissen.
    “Noch nie einen so trockenen Spätsommer erlebt”, improvisiere ich, während ich versuche, die Ruhe zu bewahren.
    “Mmhm”, murmelt der Kommandant und nickt zustimmend. Er ist zu betrunken, um zu merken, dass meine Erwiderung nicht zu seiner Frage passt. “An der Küste ist das Wetter viel milder”, fügt er noch hinzu. Plötzlich habe ich das Gefühl, mich auf Messers Schneide zu bewegen. Ein einziger falscher Schritt und mein Leben ist verwirkt.
    Ich nehme noch einen kleinen Schluck und genieße nun das wohlige Gefühl, das der Weinbrand in meinem Magen auslöst. Der Kommandant schaut wieder aus dem Fenster. Was soll ich jetzt tun? Wie soll ich mich diesem Mann nähern? Ich weiß nicht, wie man mit einem Mann schäkert, erst recht nicht, wie man ihn verführt. Als ich Jakub kennenlernte, war das anders. Wir waren beide jung, und er …
Halt!
, ermahne ich mich. Wenn ich jetzt zulasse, dass ich an meinen Ehemann denke, werde ich erst recht nicht in der Lage sein, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch es ist bereits zu spät, im Geiste sehe ich Jakubs Gesicht.
    “Nun, es ist schon spät”, erkläre ich unsicher und stehe auf. “Ich sollte mich auf den Heimweg machen.” Wieder zögere ich, denn auf der einen Seite möchte ich mich so schnell wie möglich in Krysias Haus flüchten, auf der anderen Seite hoffe ich, der Kommandant wird mich zurückhalten. “Nochmals danke für den Weinbrand”, sage ich, während er mir zur Tür folgt.
    “Anna.” Plötzlich überholt er mich und versperrt mir den Weg. Als er seine Hand ausstreckt, muss ich mich zusammenreißen, um nicht vor ihm zurückzuschrecken. Er berührt meine Schläfe und streicht eine Haarsträhne zurück. Dabei berühren seine Finger leicht meine Wange. “Gute Nacht”, flüstert er, ohne mir den Weg zur Tür freizugeben.
    “Gute Nacht”, erwidere ich und wende mich von ihm ab. Meine Wangen glühen. Ich greife um ihn herum und bekomme den kühlen Messingtürgriff zu fassen. Es gelingt mir, die Tür weit genug zu öffnen, um mich durch den Spalt nach draußen zu zwängen.
    “Anna”, ruft er, während er mir nach draußen folgt. Das Blut rauscht so sehr in meinen Ohren, dass ich ihn kaum hören kann. Ich zögere und tue dann etwas, worüber ich mich den Rest meines Lebens wundern werde: Ich drehe mich zu ihm um. Im nächsten Moment drückt der Kommandant seine Lippen auf meinen Mund und reißt mich an sich.
    Mir fehlt die Erinnerung daran, wie ich zurück in seine Wohnung gelangte oder wann ich meinen Mantel auszog. Mein Gedächtnis scheint sich genauso abgeschaltet zu haben wie mein Verstand. Allein mein Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn arbeiten noch, ich schmecke das salzige Aroma seiner Haut auf meiner Zunge, ich spüre seine Bartstoppeln an meiner Wange. Mir fällt ein, dass ich die Rolle vergessen habe, die ich spiele. Anna sollte eine Jungfrau sein, ruft mir eine Stimme irgendwo tief aus meinem Inneren zu. Anna sollte schüchtern und zurückhaltend sein. Stattdessen stammen die Laute, die über meine Lippen kommen, von einer Frau, die das Verlangen kennt. Gleiches gilt für die Art, wie ich mich an ihn klammere. Aber diese Frau ist ganz sicher auch nicht Emma, denn als mich der Kommandant hochhebt und mich in sein Schlafzimmer trägt, da bin ich nur noch halb bekleidet, und ich erwidere seine Küsse auf eine Weise, die meinen Vorsatz Lügen straft, das alles lediglich zu spielen. Später werde ich mir einreden, meine Begierde sei nur Teil meiner Rolle, meiner Mission gewesen, um diesem Mann näherzukommen. Doch in dem Augenblick, da er mich auf sein Bett legt, meinen Rock hochschiebt und mich unter sich begräbt, da verliere ich mich in seinen Armen und gebe mich dem

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