Der Kommandant und das Mädchen
sehnsüchtigen, verzweifelten Liebesspiel hin.
Stunden später liege ich zitternd auf dem schweißnassen Bettlaken. Meine Arme und Beine schmerzen, und ich weiß, ich werde wohl einige blaue Flecken davontragen, so wie er auch. Der Kommandant liegt leise schnarchend neben mir, einen Arm über seinem Kopf, den anderen quer über meinem Bauch ausgestreckt. Zuvor, als sein Atem nicht mehr ganz so schwer ging und er wieder sprechen konnte, da hatte er sich bei mir entschuldigt. “Es tut mir leid”, hatte er geflüstert und über mein Gesicht gestrichen. Ich wusste, er meinte seine raue Art. Da er es für mein erstes Mal hielt, hätte es sanft und romantisch sein sollen. Ich presste bei seinen Worten die Lippen aufeinander und hoffte, er würde es als ein Lächeln deuten. Ich konnte nur nicken, weil ich mich vor dem fürchtete, was mir womöglich herausrutschen würde, sollte ich den Mund aufmachen. Er lächelte leicht auf mich hinab und schlief wenig später ein.
Jetzt liege ich wach neben ihm, und allmählich beginne ich zu verstehen, was hier passiert ist. Ich habe mit einem anderen Mann geschlafen. Mit einem Nazi. Ich wollte ja gehen, sage ich mir, doch noch während ich das denke, erkenne ich, dass mein Handeln nur Teil des Spiels war, ihn zu verführen. Ich habe Jakub mit voller Absicht betrogen.
Nicht hier! Denk nicht hier darüber nach!
Doch die Warnung kommt zu spät. Panik regt sich in mir, und ich halte es nicht länger aus, neben diesem fremden Mann zu liegen. Darauf bedacht, den Kommandanten nicht zu wecken, entziehe ich mich seinem schweren Arm, kleide mich an und verlasse die Wohnung.
An der Haustür angelangt, zögere ich kurz, da ich fürchte, Stanislaw könnte noch immer mit dem Wagen auf mich warten. Ich würde es nicht ertragen, jetzt irgendjemandem gegenüberzutreten. Aber natürlich ist Stanislaw nicht mehr da. Stunden sind vergangen, seit er mich abgesetzt hat, und am Stand des Mondes kann ich erkennen, dass es fast Mitternacht ist. Die Straßen sind menschenleer, da die Einwohner zu große Angst davor haben, während der Ausgangssperre erwischt zu werden. Normalerweise wäre das auch für mich ein Grund zur Sorge, doch ich bin zu sehr damit beschäftigt, diesen Ort hier hinter mir zu lassen. Ich gehe in Richtung der Straße, die mich nach Hause führen wird.
Meine Gedanken überschlagen sich. Ich hätte nie erwartet, dass es so schnell passieren würde. Ich hatte mit vielen Tagen oder gar Wochen Vorbereitung gerechnet, aber es dauerte nur ein paar Momente, und schon gab es kein Zurück mehr …
Hör auf!
, ermahne ich mich einmal mehr.
Denk nicht darüber nach.
Ich gehe etwas schneller und atme tief und gleichmäßig durch.
Du hast es getan. Das Schlimmste liegt hinter dir, und du hast es überlebt.
Plötzlich überkommen mich eine sonderbare Ruhe und Gelassenheit.
Ich sehe den Kommandanten vor mir, wie er mich auf die Matratze drückt. Als würde ich einen Film betrachten, nehme ich wahr, wie ich meine Arme um ihn lege und mich dem Rhythmus seiner Bewegungen anpasse. Ich bleibe stehen, da die Erinnerung mir Übelkeit bereitet. Hinter einem großen Busch am Straßenrand beuge ich mich vornüber und dämpfe die unvermeidlichen Würgegeräusche so weit wie möglich, während mein Magen den vorwiegend aus Weinbrand bestehenden Inhalt erbricht. Ich weiß nur zu gut, dass es nicht ratsam ist, Aufmerksamkeit zu erregen, auch nicht mitten in der Nacht auf einer einsamen Straße.
Als sich mein Magen beruhigt hat, richte ich mich auf, wische meinen Mund ab und atme tief durch. Nirgendwo ist ein Mensch zu sehen, nur eine Ratte steckt den Kopf aus einem Gully und scheint mich verächtlich anzusehen. Ich hatte es tun müssen, erkläre ich stumm. Ich musste es danach aussehen lassen, dass ich ihn wirklich mag und den Augenblick genieße. Die Ratte läuft davon. Ich seufze, streiche mein Haar glatt und mache mich auf den langen Weg nach Hause.
Nach vielleicht einem Kilometer bleibe ich erneut stehen.
Die Dokumente!
, geht es mir durch den Kopf. Ich habe die Wohnung des Kommandanten so hastig verlassen, dass mir entfallen ist, nach den Dokumenten zu suchen, die Alek benötigt. Keine Sorge, meldet sich abermals meine innere Stimme. Es wäre nicht ratsam gewesen, gleich beim ersten Mal seine Wohnung auf den Kopf zu stellen. Erst einmal muss ich seine Schlafgewohnheiten beobachten, damit ich mir sicher sein kann, dass er nicht plötzlich aufwacht. Beim ersten Mal … Mir schaudert. Es wird weitere Male
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