Der Kommandant und das Mädchen
beiße mir auf die Unterlippe. “Dann entscheide ich, dass ich mich wieder mit ihm treffe. Für meine Eltern und für den Widerstand.”
Krysia legt eine Hand auf meine Schulter. “Ich weiß, diese Entscheidung fällt dir nicht leicht.”
“Glaubst du, es ist die richtige Entscheidung?”
“Diese Frage kannst nur du beantworten, niemand sonst”, erklärt sie, woraufhin ich seufze, mich zu ihr vorbeuge und ihr einen Kuss auf die Wange gebe. “Gute Nacht, meine Liebe”, sagt sie.
Ich sehe kurz nach Łukasz, dann gehe ich ins Badezimmer. Während ich mir das Gesicht wasche, muss ich über Krysias Worte nachdenken. Es ist meine Entscheidung, mich mit dem Kommandanten zu treffen, um auf diese Weise dem Widerstand zu helfen. Trotzdem komme ich mir nicht mutig, sondern schäbig vor. Dabei ist es nicht nur so, als würde ich Abscheu vor mir selbst empfinden, weil ich meine Ehe verraten habe. Hinzu kommt die unbestreitbare Tatsache, dass es mir zum Teil sogar Spaß gemacht hat. Aber selbst das wäre noch vertretbar, hätte es sich um nichts weiter als eine körperliche Reaktion gehandelt. Die hätte ich der Einsamkeit und der Tatsache zuschreiben können, dass ich meinen Ehemann seit über einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Das wirkliche Problem ist die gegenseitige Anziehung, von der Krysia einmal gesprochen hat. Ein Teil von mir mag den Kommandanten sehr gern und liebt es, mit ihm zu reden und in seiner Nähe zu sein. Genau das macht diese Situation so unerträglich.
Am nächsten Tag kommt der Bote des Kommandanten vorbei und überreicht mir eine handschriftliche Einladung, um sieben Uhr mit ihm im Wierzynek zu speisen. Am liebsten würde ich absagen und ihn um einen weiteren Tag vertrösten, doch ich habe keine Ausrede: Łukasz geht es gut, und ich muss versuchen, so bald wie möglich an die Informationen heranzukommen, die Alek braucht. Also lasse ich ausrichten, dass ich Zeit habe.
Um viertel vor sieben kommt mich Stanislaw mit dem Wagen abholen und erklärt mir, dass der Kommandant dienstlich aufgehalten wurde und sich mit mir im Restaurant treffen wird. Allein auf dem Rücksitz des riesigen Automobils schaue ich gedankenverloren aus dem Seitenfenster. Während wir uns der Stadt nähern, frage ich mich, wie dieser Abend wohl verlaufen wird. Seit unserer ersten gemeinsamen Nacht habe ich den Kommandanten nur einmal in seinem Büro gesehen. Ich bin besorgt, dass unsere Unterhaltung von Verlegenheit geprägt sein wird.
Wenig später hält der Wagen vor einem prachtvollen Gebäude gegenüber dem Marktplatz. Der Kommandant wartet bereits an der Eingangstür zum Lokal auf mich. “Es tut mir leid, dass ich Sie nicht selbst abholen konnte”, entschuldigt er sich und führt mich hinein. Der Oberkellner nimmt meinen Mantel entgegen und bringt uns nach oben zu einem separaten Tisch auf einem Balkon, von dem aus man das ganze Restaurant überblicken kann. “Ich habe mir die Freiheit gestattet, für uns beide zu bestellen”, erklärt der Kommandant, während wir Platz nehmen.
Ich nicke und bin froh, dass ich mir nicht auch noch über die Auswahl der Speise Gedanken machen muss.
“Łukasz geht es besser?”, fragt er.
“Ja, danke.” Der Kellner kommt an den Tisch und bringt uns einen Aperitif. Nachdem er gegangen ist, hebt der Kommandant sein Glas. “Auf die Gesundheit.”
“Auf die Gesundheit”, wiederhole ich, hebe ebenfalls mein Glas und trinke einen winzigen Schluck. “Der schmeckt köstlich.”
Der Kommandant trinkt sein Glas in einem Zug leer. “Mir wäre mal wieder nach einem guten italienischen Rotwein. Waren Sie mal dort?”
“In Italien?” Ich schüttele den Kopf.
“Ein wunderbares Land.” Zwei Ober servieren uns silberne Tabletts und nehmen die Abdeckhauben hoch, darunter kommen Teller mit Räucherlachs zum Vorschein. Als die Kellner sich zurückgezogen haben, berichtet mir der Kommandant von einem Skiurlaub, den er als junger Mann zusammen mit einigen Freunden in den italienischen Alpen verbrachte. Er redet sehr schnell und verstummt immer nur dann, wenn er ein Stück Lachs isst oder von seinem Wodka trinkt.
Minuten später kehren die Kellner zurück, nehmen die Teller weg und stellen erneut zwei Tabletts mit Abdeckhauben auf den Tisch. Das Hauptgericht entpuppt sich als irgendeine Art Geflügel, dessen Geschmack nach Wild mir gar nicht zusagt. Ich esse nur wenig davon und bin froh, dass ich Krysias Haus nicht mit leerem Magen verlassen habe. Ob der Kommandant etwas von meinem
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