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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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im gleichen Hotel wie die Polizeibeamten abgestiegen war, verschanzte sich in seinem Zimmer, zusammen mit einer jungen Frau, die er mit der Waffe in seine Gewalt gebracht hatte.
    Diese Waffe war – das wurde schon bald offensichtlich – eine Kalaschnikow, und das Ziel des Mannes war es, dass die Polizei seine ehemalige Freundin sowie eine Million Gulden heranschaffen sollte, sonst würde er aus seiner blonden Geisel (die zu allem Überfluss auch noch im dritten Monat schwanger war) Hackfleisch machen – und aus allen anderen auch, die so dummdreist sein sollten, sich in seine Nähe zu wagen.
    Der Zeitrahmen ließ nicht besonders viel Spielraum für strategische Überlegungen aufseiten der Polizei: zwei Stunden – nicht eine Sekunde mehr.
    Da die Forderungen rein praktisch gar nicht zu erfüllen waren – unter anderem befand sich seine frühere Verlobte auf
einer Urlaubsreise irgendwo in Italien und war vermutlich nicht besonders erpicht darauf, irgendeine Rolle in diesem Fall zu spielen –, beschloss die örtliche Polizeileitung in Übereinkunft mit einer Gruppe aus der obersten Schicht der Konferenzteilnehmer, stattdessen eine Art Befreiungsschlag zu versuchen. Pläne verschiedenster Art wurden in aller Eile entworfen, Van Veeteren wurde als geeignet angesehen, eine der Hauptrollen zu übernehmen – und nach einigen mehr oder weniger geglückten Schachzügen befand er sich plötzlich gemeinsam mit dem Geiselnehmer und der Geisel in dessen Zimmer. Es war geplant, dass er den Jüngling jetzt zum Fenster locken und dort Verhandlungen von mindestens zehn Sekunden Dauer mit ihm eingehen sollte – ausreichend Zeit, dass einer der Scharfschützen auf dem Dach gegenüber es schaffen könnte, ihn ins Fadenkreuz zu bekommen und ihn mittels zwei oder drei wohl überlegten Schüssen in Kopf und Brust zu liquidieren.
    Den Geiselnehmer natürlich, nicht Van Veeteren.
    Aber es zeigte sich, dass der junge Mann mit dieser Inszenierung ganz und gar nicht einverstanden war. Statt sich vors Fenster zu stellen, drängte er Van Veeteren in eine Ecke des Zimmers, forderte ihn auf, die Augen zu schließen und ein letztes Gebet an seinen Schöpfer zu sprechen, falls er glaubte, dass er einen hatte.
    Van Veeteren fand in der Eile keine geeignete Gottheit, stattdessen begann er bis zehn zu zählen, und als er bei sieben angekommen war, gab es draußen auf dem Balkon einen lauten Krach und Malijsen machte seine Aufwartung – laut irgendwelchen Plänen, an denen niemand sonst beteiligt gewesen war und von denen sonst auch niemand etwas wusste. Van Veeteren öffnete vorsichtig die Augen und bekam gerade noch mit, wie Malijsen schoss und wie der Kopf des jungen Mannes sich in etwas verwandelte, das kaum mit Worten zu beschreiben ist, wovon er aber noch viele Jahre später mitten in der Nacht unsanft geweckt wurde, weil er davon geträumt hatte.
    »Dein Glück, dass ich hier gerade vorbeigekommen bin«, war Malijsens erster Kommentar.

    An den folgenden Abenden hatten sie viele Stunden zusammengesessen, und Van Veeteren bekam immer mehr den Eindruck, dass es sich bei seinem Retter um einen ziemlich unbegabten Idioten handelte, der eine Reihe mehr oder weniger ernst gemeinter Vorstellungen und Prinzipien von so ziemlich allem hatte. Leider. Ein Pfadfinder mittleren Alters, wie Reinhart es vermutlich ausgedrückt hätte: frech, dumm und kriegsfixiert. Van Veeteren war seiner Gesellschaft bereits stets nach einer halben Stunde reichlich überdrüssig gewesen, aber da es nun einmal so war, dass dieser fette Polizeiinspektor derjenige war, dem er sein Leben zu verdanken hatte, musste er sich natürlich dareinfinden, ihm das eine oder andere Bier zu spendieren.
    Während der folgenden Konferenztage hatte es eine Reihe von Diskussionen über Kompetenz und individuellen Handlungsspielraum in der gehobenen Polizeiarbeit gegeben, und nur wenige Monate nach dem Zwischenfall in Lejnice hatte Van Veeteren in einem Fachblatt gelesen, dass Wilfred Malijsen seinen Dienst als Polizeichef in Sorbinowo angetreten hatte.
    Es war nicht auszuschließen, dass es da einen Zusammenhang gab.
    Malijsen? dachte Van Veeteren und nahm zwei Oliven. Zeit, eine alte Rechnung zu begleichen?
    Dann widmete er seine Gedanken anderen Dingen. Zuerst Kreta und dann einer Variante skandinavischer Verteidigung, über die er gelesen hatte und die es möglicherweise wert war, näher betrachtet zu werden.
     
    Die Vereinsräume am Styckargränd lagen menschenleer und

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