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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Vermutung war. So eine kurz aufflammende Spekulation, die eine Bestätigung in einem Gespräch brauchte und die beiseite zu schieben er alt genug war.
    »Ein verdammt guter Dichter, der Mahler«, sagte Przebuda. »Von erlesenem Geschmack und klar wie ein Gebirgssee. Ja, ich glaube, ich habe jede Sammlung von ihm rezensiert, seit seinem Debüt. Wie kommt es, dass Sie ...«
    Es dauerte noch weitere zehn Minuten, bis Van Veeteren das Kino Rymont verlassen konnte und dann nur mit der inständigen Einladung von Andrej Przebuda, zu einen neuen und intensiveren Treffen an einem der folgenden Tage; entweder oben in der Zeitungsredaktion oder in seinem Haus im gleichen Viertel.
    Wenn es wirklich der Fall war, dass der Hauptkommissar beruflich – und nicht als Tourist – nach Sorbinowo gekommen war, dann war es – in aller Bescheidenheit – nicht undenkbar, dass er – Andrej Przebuda – ihm vielleicht mit der einen oder anderen Information aushelfen konnte.
    Falls das erforderlich sein sollte. Schließlich wohnte er seit vierundvierzig Jahren hier.
    Und wenn es sonst nichts gäbe, könnte man sich ja immer noch über Filme und Poesie unterhalten.
    Warum nicht? dachte Van Veeteren, nachdem er sich von Przebuda und den übrigen Mitgliedern des Filmclubs von Sorbinowo verabschiedet hatte. Das könnte bestimmt dem einen oder anderen Aspekt interessante Informationen hinzufügen.
    Insgesamt absolut kein hinausgeworfener Abend, stellte er fest, als er das Grimm’s wieder ansteuerte, aber als er endlich im Bett lag, waren es dennoch die Bilder vom Vormittag, die
sich bei ihm einschlichen und sich seines Bewusstseins bemächtigten.
    Die ihn bis weit in die Nacht hinein wach hielten.
    Diese jungen, nackten Mädchenkörper.
    Die bleichen Frauen.
    Der Bart des Propheten.

10
    Die Informationen über Oscar Jellinek und seine kirchlichen Aktivitäten waren am Sonntagmorgen eingetroffen. Sowohl von Münster als auch aus Stamberg.
    Nach einem anständigen Frühstück auf dem Zimmer mit zwei Tageszeitungen widmete Van Veeteren sich eine vormittägliche Stunde lang dem Material, das er, in Sorbinowos Polizeirevier sitzend, durchging.
    Gleichzeitig überlegte er, was weiter getan werden sollte.
    Soweit überhaupt eine Fortsetzung sinnvoll sein würde. Kluuge hatte er nach Hause geschickt, damit er sich um seine schwangere Ehefrau kümmerte, die nach dessen Angaben in der Nacht etwas unpässlich gewesen war.
    Der Hauptkommissar schwitzte. Die Sonne war um eine Ecke gewandert und jetzt langsam dabei, das Dienstzimmer von Polizeichef Malijsen in einem Grad zu erhitzen, der bald so unerträglich sein würde wie eine verdörrte Aprikose. Es gab da kein Pardon, trotz des Schutzes durch Jalousien und Gardinen.
    Ob Das Reine Leben nun eine erträgliche Geschichte war, darüber konnte man geteilter Meinung sein.
    Oscar Jellinek war 1942 in Groenstadt geboren. Er hatte Theologie studiert und 1971 seine Priesterprüfung in Aarlach abgelegt. Er war als Seelsorger und Hilfsprediger an einem halben Dutzend verschiedener Orte tätig gewesen, bis er sich im August 1984 lossagte und die freie Gemeinde (die alternative Synode) Das Reine Leben gründete. Mit dem Hauptstützpunkt
Stamberg, wo er auch seit Anfang der Achtziger gewohnt und gewirkt hatte.
    Das Reine Leben führte in den ersten Jahren ein ziemlich anonymes Dasein. Eigentlich ließ sich gar nichts darüber sagen; die Anzahl Übergetretener (es gab keine wirklich zuverlässigen Zahlen) dürfte nicht mehr als gut dreißig Seelen betragen haben; hauptsächlich Frauen, ein auch weiterhin festzustellender Trend. Die Treffen und Gottesdienste wurden in verschiedenen Lokalitäten abgehalten, die oft nur für einige Wochen oder sogar nur für eine einzige Zusammenkunft gemietet wurden.
    Mit der Zeit bekam die Bewegung ein populistischeres Profil. Gemeinsam mit einem früheren Kommilitonen, Werner Wassmann (der jedoch später die Sekte nach einem internen Schisma wieder verließ), begann Jellinek offene Versammlungen abzuhalten und trat in verschiedenen mehr oder weniger öffentlichen Zusammenhängen auf.
    Die Botschaft war einfach, der Ton anziehend:
    Verlasse die sündige, materialistische Welt! Komm zu uns! Lebe in Reinheit und Harmonie mit dem einzigen Gott!
    Die Mitgliederzahl stieg, einiges Geld strömte herein, und 1988 bekam Das Reine Leben sein erstes Kirchengebäude; es wurde später noch erweitert, um unter anderem eigene Schulaktivitäten zu beherbergen, die mit der Zeit so ausufernd

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