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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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verstehe. Und Ihre Konfirmandinnen?
    MU: Auch, davon bin ich überzeugt. Man merkt das, sobald man in seiner Nähe ist.

    VV: Ach, wirklich? Können Sie mir erzählen, wie der Unterricht verläuft?
    MU: Jellinek spricht mit den Mädchen. Wir beten zusammen. Wir versuchen die bösen Gedanken zu verscheuchen und uns zu reinigen.
    VV: Wie?
    MU: Auf unterschiedliche Art. Durch verschiedene Übungen. Durch Gebete. Dadurch, dass wir uns hingeben ...
    VV: Was tut ihr, wenn ihr euch hingebt?
(Einige Sekunden Schweigen.)
    MU: Ich möchte mit Außenstehenden nicht darüber reden. Das ist so leicht misszuverstehen. Man muss eingeweiht sein, um das richtig zu sehen, es erfordert Übung ...
    VV: Schlafen Sie mit Oscar Jellinek?
    MU: Wir leben in großer Harmonie und Nähe.
    VV: Auch sexuell?
    MU: Wir sind biologische Wesen, Herr Kommissar. Wir ziehen nicht die gleichen Grenzen wie Sie, das ist es, was den Unterschied zwischen dem Reinen Leben und der Anderen Welt ausmacht.
    VV: Der Anderen Welt?
    MU: Der Welt, in der Sie leben.
    VV: Was sagen Sie dazu, dass Jellinek wegen Unzucht und einigem anderen im Gefängnis war?
    MU: Jesus Christus ist für uns Sünder gekreuzigt worden.
    VV: Vergleichen Sie Oscar Jellinek mit Jesus Christus?
    MU: Ja, natürlich.
(Erneutes, ziemlich langes Schweigen, abgesehen von einem Geräusch, als würde jemand einen schweren Sack über den Boden schleifen. Es dauerte eine Weile, bis Van Veeteren erkannte, dass es sich um keinen Sack handelte, sondern um ein Seufzen. Sein eigenes Seufzen.)
    VV: Leben Ihre Konfirmandinnen auch in großer Nähe und Harmonie zu Oscar Jellinek?
    MU: Natürlich nicht. Nicht in gleichem Maße.

    VV: Aber es kommt vor, dass die Mädchen in seiner Anwesenheit nackt sind.
    MU: Es ist nicht so, wie Sie glauben, Herr Kommissar. Wir sind umgeben von Boshaftigkeit und Verleumdung, genau wie ...
    VV: Ja?
    MU: Genau wie die ersten Christen.
    VV: Sie vergleichen sich also mit den ersten Christen?
    MU: Es gibt viele Ähnlichkeiten.
(Schweigen. Dann Stühlescharren. Ein Zündholz wird entzündet und dann ausgeblasen.)
    VV: Vielen Dank, Fräulein Ubrecht. Ich glaube nicht, dass ich noch weitere Fragen an Sie habe.
     
    »O verdammte Scheiße«, brummte der Hauptkommissar und spulte über das Gespräch mit Madeleine Zander weiter vor, der Frau, mit der er bereits bei seinem ersten Besuch gesprochen hatte. Nicht noch einmal das gleiche hohle Geschwätz! dachte er. Das Einzige, was sie von den anderen beiden unterschied, war die Tatsache, dass sie von Anfang an dabei war und dass sie verheiratet war. Madeleine Zander war die Älteste in der Troika – sechsundvierzig Jahre, und sie hatte eine erwachsene Tochter aus einer Ehe, die anscheinend genauso lange gedauert hatte, wie nötig war, sie zu empfangen und zur Welt zu bringen.
    Später – im Auto auf dem Weg zurück nach Sorbinowo – hatte er versucht, Zeichen von Zwietracht zwischen den drei Frauen zu rekapitulieren und zu deuten – Eifersucht, Neid und Ähnliches –, aber wie gern er es auch gehabt hätte, er konnte sich an nichts dergleichen erinnern.
    Andererseits hatte er sich auch kaum darum bemüht, sie in derartige Aussagen zu verstricken. Im Gegenteil. Er war die ganze Zeit freundlich und gentlemanlike aufgetreten. Genau wie immer. Also besser, es nicht schriftlich festzuhalten.
    Das gilt übrigens für die ganze verfluchte Geschichte, dachte er. Wenn es hier um einen Kriminalroman ginge, würde er
sich sicher am besten in ungeschriebener Form machen. Es gab irgendwie keine Substanz.
    Obwohl da natürlich viel war, was man über diese Sache sagen konnte.
    Jetzt saß er jedenfalls erst einmal hier. Zweihundertzehn Kilometer von Maardam und zwölf Tage von Kreta entfernt.
    Es gibt solche und solche Wartezimmer, das hatte er gerade in Klimkes Betrachtungen gelesen. Aber von den meisten Bahnhöfen fährt kein Zug mehr ab.
    Er beschloss herauszufinden, wie das eigentlich in Sorbinowo war. Er hatte das Bahnhofsgebäude bisher nur aus der Entfernung gesehen, aber es war ihm nicht besonders lebendig in Erinnerung geblieben.
    Nur so als Zeichen gesehen.
     
    Es waren zwei Mädchen gewesen, mit denen er geredet hatte, und nach einiger Überlegung hatte er sich dazu entschieden, sie gemeinsam zu befragen. Vielleicht war das ein Zeichen von Müdigkeit, und vielleicht deutete es darauf hin, dass er schon dabei war aufzugeben, aber nach Jellinek und seinen drei bleichen Sklavinnen – was konnte man da noch begehren?
    Er fand die

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