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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Oscar Jellinek war nicht zu spaßen. Dann spulte er ein kurzes Stück vor und drückte wieder auf den Play-Knopf.

    VV: Ihr Name?
    UF: Ulriche Fischer.
    VV: Alter, Wohnort und Beruf?
    UF: 41 Jahre. Ich wohne in Stamberg und arbeite in der Kirche Das Reine Leben.
    VV: Was tun Sie da?
    UF: Alles Mögliche, vor allem praktische Dinge.
    VV: Sind Sie verheiratet?
    UF: Nein.
    VV: Welche Aufgaben haben Sie hier im Lager?
    UF: Wir teilen uns alle Arbeiten. Kochen, abwaschen, putzen und aufräumen ... Wir helfen Jellinek.
    VV: Nehmen Sie auch am Unterricht der Mädchen teil?
    UF: Ja, das kommt vor.
    VV: In welcher Form?
    UF: Ich habe nicht vor, mit Ihnen über solche Sachen zu reden.
(Fünf Sekunden Schweigen.)
    VV: Hat Jellinek das verboten?
(Schweigen.)
    VV: Wie lange sind Sie schon bei der Sekte?
    UF: Ich bin seit 1987 bei dem Reinen Leben.
    VV: Haben Sie eine sexuelle Beziehung zu Jellinek?
(Schweigen.)
    VV: Wenn Sie sich weiterhin weigern, auf meine Fragen zu antworten, werde ich Sie von hier fortschaffen lassen und einer ganz anderen Form von Verhör unterziehen. Glauben Sie mir!
    UF: Das ist Ihre Entscheidung, Herr Hauptkommissar.
    VV: Stimmt es, dass Sie Teufelsaustreibung ausüben?
    UF: Das sind Ihre Worte, nicht meine.
    VV: Was, zum Teufel, meinen Sie damit?
    UF: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in meiner Anwesenheit nicht fluchen würden.
    VV: Jellinek ist vor sechs Jahren wegen Unzucht und Nötigung verurteilt worden. Was haben Sie dazu zu sagen?

    UF: Das war ein ungerechtes Urteil. Aber es gibt eine höhere Instanz.
    VV: Können Sie mir dieses Prinzip der Reinheit erklären?
    UF: Ich fürchte, Sie sind nicht gerade empfänglich für Unterweisungen dieser Art.
    VV: Aber Ihre kleinen Mädchen sind empfänglich?
(Schweigen.)
    VV: Ist es nicht so, dass Jellineks Ideen so infantil sind, dass sie sich am besten für Kinder und Schwachsinnige eignen?
    UF: Sie sind unverschämt. Ich hatte von Ihnen ein korrekteres Auftreten erwartet.
    VV: Jetzt hören Sie mal zu. Ihre Gemeinschaft beruht auf drei Prinzipien: Gebete, Entsagung und Reinheit. Ich bitte Sie, mir eines dieser Prinzipien zu erklären, und Sie entscheiden sich dafür, nur zu schweigen. Was, zum Teufel, soll ich denn davon halten?
    UF: Sie können glauben, was Sie wollen. Es ist ganz allein die Sache jedes Einzelnen, wie er sich gegenüber den großen Fragen verhält und was er aus seinem Leben macht.
     
    Der Hauptkommissar streckte die Hand aus und stellte den Rekorder aus.
    Warum verliere ich nur so schnell die Beherrschung? dachte er. Hatte das nur etwas mit der Ohnmacht und der Hitze zu tun?
    Er spulte das Band vor; der Rest des Gesprächs mit Ulriche Fischer war unter dem Zeichen gegenseitigen Misstrauens verlaufen, das wusste er genau, und nichts war zum Vorschein gekommen, das die These, wonach ein Mädchen verschwunden war, in irgendeiner Weise hätte untermauern können.
    Es dauerte eine Weile, bis er die richtige Stelle auf dem Band fand. Bevor er weitermachte, beendete er seine einfache Mahlzeit und zündete sich eine Zigarette an. Er richtete die Kissen und lehnte sich zurück, um sich besser auf das Verhör von
Mathilde Ubrecht konzentrieren zu können. Das war ein wenig gehaltvoller, zumindest in den Nuancen.
    Das lag natürlich auch daran, worauf es einem ankam.
     
    MU: Ich heiße Mathilde Ubrecht. 36 Jahre. Arbeite in der Kirche Das Reine Leben.
    VV: Danke. Wissen Sie, warum ich mit Ihnen sprechen möchte?
    MU: Ich glaube schon.
    VV: Die Polizei hat Informationen bekommen, wonach ein Mädchen aus dem Lager verschwunden sein soll. Haben Sie Verständnis dafür, dass wir diesen Informationen nachgehen müssen?
    MU: Ja. Aber es ist keines verschwunden.
    VV: Sie sind sich Ihrer Sache sicher?
    MU: Ja.
    VV: Darf ich eine hypothetische Frage stellen?
    MU: Bitte schön.
    VV: Wenn es Ihrer Gemeinschaft nützen würde, könnten Sie sich dann vorstellen, bei einem Polizeiverhör oder vor dem Richter zu lügen?
    MU: Ich verstehe Ihre Frage nicht.
    VV: All right, sagen wir es anders. Wenn Oscar Jellinek sie ermahnt hätte, mir bestimmte Sachen zu sagen, würden Sie das dann tun, auch wenn Sie wüssten, dass es gelogen ist?
    MU: Ich glaube nicht, dass Jellinek so etwas tun würde.
    VV: Was halten Sie von Oscar Jellinek?
    MU: Er ist ein großer Mensch.
    VV: Was meinen Sie damit?
    MU: Er hat Kontakt mit dem GANZEN und dem EINZIGEN GOTT. Es ist eine Gnade, ihm nahe sein zu dürfen.
    VV: Empfinden Ihre Mitschwestern genauso?
    MU: Ja, natürlich.
    VV: Ich

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