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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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verbessern.«
    »Werde ich mir auch aufschreiben«, sagte Reinhart. »Wenn
du heute Abend wieder anrufst, werde ich Bericht erstatten. Aber, mal im Ernst gesprochen ...«
    »Ja?«
    Es vergingen drei Sekunden.
    »Mir gefällt diese Geschichte nicht.«
    »Mir auch nicht«, stimmte Van Veeteren zu.
    Neue Pause, in der Reinhart vermutlich nach Pfeife und Tabak suchte.
    »Solche Kindermörder sind verflucht noch mal das Schlimmste, was ich mir denken kann.«
    »Noch ein Grund mehr, ihn zu schnappen«, sagte der Hauptkommissar.
    »Genau«, sagte Reinhart. »Ich werde tun, was ich kann. Ach übrigens, wie sind denn die Kollegen so?«
    »In Ordnung«, sagte Van Veeteren. »Suijderbeck ist wohl der Beste.«
    »Der mit dem Holzbein?«
    »Ja.«
    »Ja, das wär’s dann wohl«, sagte Reinhart und legte den Hörer auf.
     
    Die Frau betrachtete ihn zunächst eine ganze Weile durch den Spion in der Tür. Ließ ihn auch seinen Ausweis vor das kleine Loch halten, bevor sie umständlich aufschloss. Diese Prozedur dauerte noch eine weitere halbe Minute, und so langsam überlegte er, ob sie eigentlich ganz richtig im Kopf war.
    Aber vielleicht ist das bei denen allen so, überlegte er weiter, als sie endlich soweit war und er in den engen Flur treten konnte.
    Bei allen Schafsköpfen in dieser ahnungslos dahinfrömmelnden Herde.
    Andererseits, wenn man an gewisse Zeitungskritzeleien und gewisse Wandschmierereien dachte, gab es vielleicht ja auch gute Gründe, sich in diesen Tagen ein wenig zu verbarrikadieren. Wenn man allzu engen Kontakt mit der Anderen Welt vermeiden wollte. Wer war er, das entscheiden zu wollen?

    Ihr Handschlag war kalt und feucht. Sie ging vor ihm ins Wohnzimmer und führte ihn zu einem geblümten Sofa vor einem ovalen Tisch, auf dem sie Tee und Kekse angerichtet hatte.
    »Bitte schön«, sagte sie, und ihre Stimme trug nicht so recht.
    »Danke«, sagte Van Veeteren.
    Sie goss blassen Tee aus der Kanne ein, und er betrachtete sie verstohlen. Eine dünne, leicht anämische Frau. Etwas über vierzig schätzungsweise. Der gleiche Hauch von Blutarmut wie bei den Nornen draußen in Sorbinowo, stellte er fest und überlegte, woran das wohl liegen konnte.
    Eine Vergeistigung, die dabei war, alle körperlichen Funktionen und Bedürfnisse zu ersticken? Der Triumph des Willens?
    Oder waren das nur seine üblichen Vorurteile und das traditionelle Geschlechterrollenverständnis? Schwer zu sagen. Renate tauchte jedenfalls vor seinem inneren Auge für einen kurzen Moment auf. Zwinkerte ihm vorwurfsvoll zu und verschwand wieder.
    »Können Sie mir ein wenig über Ihre Versammlungen erzählen«, bat er. »Was Sie dort so machen, wodurch sie sich von anderen unterscheiden ... solche Dinge.«
    Sie klapperte mit der Tasse auf der Untertasse.
    »Ja ...«, begann sie und räusperte sich ein paar Mal, »... wir glauben an den lebendigen Gott.«
    »Ja?«, nickte der Hauptkommissar aufmunternd.
    »An den lebendigen Gott ...«
    Van Veeteren nahm einen Keks.
    »Jesus befindet sich unter uns.«
    »Davon habe ich auch schon gehört.«
    »Wer einmal das Licht des Glaubens erblickt hat ...«
    »...?«
    ». . . es ist eine Gnade, dabei sein zu dürfen.«
    »Das ist mir klar«, sagte der Hauptkommissar. »Und wie lange dürfen Sie beim Reinen Leben schon dabei sein?«
    »Seit zwei Jahren«, antwortete sie sofort. »Zwei Jahre, zwei Monate und elf Tage ... es war bei der Frühlingskampagne, da hat Christus sich mir offenbart.«

    Van Veeteren nahm einen Schluck von dem Tee, der wie warmes Wasser mit einem leichten Hauch von Pfefferminze schmeckte. Er schluckte ihn mit einiger Mühe hinunter. Hob dann seinen Blick und betrachtete das Gemälde hinter der Frau. Ein ziemlich großes Ölgemälde mit ein paar weiß gekleideten Gestalten vor hellen Birkenstämmen und einem bleichen, leicht weiß schimmernden Himmel. Milchsuppe, dachte er. Im Gegenlicht. Also, nun red schon weiter, in Gottes Namen!
    »Sie können sich das nicht vorstellen«, erklärte die Frau, jetzt mit einer frischen Prise Salbung in der Stimme. »Das können Sie nicht! Wenn Sie wirklich wüssten, was es bedeutet, im Licht zu leben, dann würden Sie heute noch mit Ihrem alten Leben brechen.«
    »Hallelujah«, sagte Van Veeteren.
    »Wie bitte?«
    »Entschuldigen Sie. Können Sie mir lieber etwas über Oscar Jellinek erzählen? Sie wissen doch, was draußen in Waldingen passiert ist.«
    Die Frau faltete ihre Hände, legte sie in den Schoß, antwortete aber nicht. Ihr frischer

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