Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Strategien, dann gab er klein bei und ließ sich auf dem bereitstehenden Gartenstuhl unter dem Sonnenschirm nieder.
»Es tut mir Leid, dass ich Sie noch einmal stören muss«, sagte er. »Aber schließlich wollen wir diesen Wahnsinnigen ja schnappen.«
»Das verstehen wir«, sagte Edwina Moulder.
»Gut«, sagte Reinhart und warf dem Mädchen einen Blick zu. »Ich hatte eigentlich vor, Belle mit aufs Revier zu nehmen, aber es wäre natürlich schön, wenn wir alles schon hier draußen erledigen könnten.«
»Belle hat schließlich schon alles gesagt, was sie weiß, und außerdem ...«
Reinhart hob einen drohenden Zeigefinger.
»Nun mal langsam. Ihre Nichte gehört schließlich zu denen,
die die Arbeit der Polizei anfangs am meisten behindert haben, deshalb hängt jetzt alles von ihrem Willen zur Zusammenarbeit ab.«
»Was ...?«
»Wenn Sie aufhören, sich immer einzumischen, können Sie gern hier sitzen bleiben«, erklärte Reinhart ihr. »Aber nur unter der Bedingung, dass Sie still sind. Haben Sie verstanden?«
»Wie bitte? Sie kommen einfach hierher und ...?«
»Haben Sie verstanden?«, wiederholte Reinhart.
»Hmm«, sagte Edwina Moulder.
Reinhart nahm einen Schluck von dem wässrigen Kaffee. Drehte dann seinen Stuhl so, dass er nicht mehr auf den großen Sonnenbrand gucken musste und stattdessen das Mädchen im Visier hatte.
»Belle Moulder?«
»Ja.«
»Du hast ja schon mehrere Male mit der Polizei über diese unangenehmen Sachen geredet ...«
Das Mädchen nickte, ohne ihn anzuschauen.
». . . und am Anfang hast du dich ziemlich dumm verhalten.«
Belle Moulder guckte auf ihren Daumennagel.
»Aber das interessiert uns jetzt nicht. Ich gehe davon aus, dass du die Wahrheit sagst und mir so gut hilfst, wie du nur kannst. Wenn ich merke, dass du dir was ausdenkst oder dass du dich weigerst, mir was zu sagen, dann muss ich dich mit in die Stadt nehmen und dich dort auf dem Polizeirevier verhören. Das verstehst du doch, oder?«
»Ja, aber ...«
»Ausgezeichnet. Was mich am meisten interessiert: Was ist an diesem Sonntagabend passiert, nachdem Clarissa Heerenmacht verschwand. Ich nehme an, du kannst dich noch sehr gut daran erinnern?«
»Es geht.«
Das Mädchen zuckte mit den Schultern und versuchte nonchalant auszusehen. Reinhart musste kurz an Winnifred und das zu erwartende Kind denken.
Es würde sich doch wohl nicht um so eine handeln?
Er räusperte sich, um den Gedanken zu verscheuchen, und fuhr fort.
»Warum hast du Clarissa unten am Badefelsen allein gelassen?«
»Sie wollte allein sein.«
»Warum denn?«
»Ich weiß nicht.«
»Habt ihr euch gestritten?«
»Nein.«
»Ganz bestimmt nicht?«
»Ganz bestimmt nicht.«
»War Clarissa traurig, als du von ihr weggegangen bist?«
»Nein.«
»Fröhlich?«
»Sie war wie immer.«
»Wie war sie denn, wenn sie wie immer war?«
»Wie, na ... wie immer.«
Reinhart probierte noch einmal den Kaffee. Er war nicht besser geworden.
»Und dann hast du mit Jellinek gesprochen.«
»Was?«
»Du hattest doch ein Gespräch mit Jellinek später am Abend. Wann war das?«
»Ja, das ... das war nach dem Abendgebet.«
»Um wie viel Uhr?«
»Halb zehn ... Viertel vor vielleicht, ich weiß nicht mehr. Die haben das schon mal gefragt, wir achten ... achteten nicht so auf die Zeit da in Waldingen. Das war nicht nötig, wir wurden ja immer gerufen ... aber es war jedenfalls so um die Zeit.«
»Zwischen halb zehn und Viertel vor?«
»Ja.«
»Worüber habt ihr geredet?«
»Über Clarissa.«
»Wieso?«
»Na, weil sie verschwunden war natürlich.«
»Ihr wusstet, dass sie verschwunden war?«
»Das ist doch klar. Sie war doch beim Essen nicht da gewesen. Und nicht bei den Übungen und beim Gebet auch nicht ...«
»Was wollte Jellinek von dir wissen?«
Belle Moulder zögerte einen Moment lang.
»Ob ich etwas wüsste. Es hatte sie ja niemand gesehen, nachdem wir da bei dem Felsen waren, ich war wohl die Letzte, die bei ihr war.«
»Kannst du dich noch daran erinnern, was Jellinek genau gesagt hat?«
»Er hat gefragt, ob ich wüsste, wo sie ist.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Dass ich es nicht wüsste natürlich.«
»Und dann? Ihr habt doch zehn Minuten miteinander geredet, oder?«
»Nein, nicht so lange. Er hat auch eine Weile einfach nur schweigend dagesessen und nachgedacht.«
»Aber er hat dir doch bestimmt noch andere Fragen gestellt?«
»Ja, was wir am Nachmittag gemacht haben und so, aber nichts
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