Der Kommissar und das Schweigen - Roman
setzte sich endlich seine Brille auf und begann stattdessen nach Zigaretten zu suchen. Schließlich fand er ein Päckchen unter dem Gerümpel, das auf dem Tisch lag. Mit einer gewissen Diskretion überschlug er zunächst seinen Vorrat, bevor er dem Hauptkommissar auch eine anbot und dann beiden Feuer gab.
»Ja, also«, fuhr er fort. »Sie war einfach nicht damit zufrieden, nur mit dem Kind zu Hause zu sitzen ... mit Janis, meine ich. Sie war eigentlich mit nichts zufrieden, wenn man ehrlich sein soll. Sie hatte zu allem Möglichen alle möglichen Ideen, aber nichts hielt lange an.«
»Was für Ideen?«, fragte Van Veeteren.
»Ach, alle möglichen«, schnaubte Uri Zander, sodass der Rauch aus seinen behaarten Nasenlöchern stieß. »Alles Mögliche! Sie war Feministin und Buddhistin und Spiritistin, und zum Schluss war sie sogar noch lesbisch.«
»Wirklich?«, fragte der Kommissar.
»Ja, aber das ging auch wieder vorbei. Alles ging vorbei, einiges hielt nur ein paar Monate lang an, anderes ein bisschen länger, und jedes Mal, wenn sie mit etwas Neuem anfing, war es, als würde das Alte überhaupt nicht mehr zählen. Als ob ... als ob sie zweimal im Jahr ein ganz neues Leben anfangen müsste sozusagen. Kaum viel Sicherheit für ein Kind, oder was meinen Sie? Es war dieses fürchterliche Hin-und-herflattern, das ich schließlich nicht mehr ausgehalten habe.«
»Ich verstehe«, sagte Van Veeteren, denn das tat er wirklich. »Aber das mit dem Reinen Leben, das hat offensichtlich deutlich länger angehalten, oder?«
Uri Zander nickte rauchend.
»Ja, scheint so. Man kann sich ja fragen, wieso, ich glaube, sie war schon von Anfang an dabei ... tja, das muss jetzt schon mehr als zehn Jahre her sein. Es wäre natürlich besser, wenn sie sich in einer anderen Gruppe engagieren würde, aber inzwischen ist es mir scheißegal. Janis ist ausgezogen, und eine neue Mutter will sie sich nicht anschaffen.«
»Wer hat sich um sie gekümmert?«, fragte der Hauptkommissar. »Ich meine, nachdem Sie geschieden waren.«
»Ich natürlich«, sagte Uri Zander, und möglicherweise war eine Spur bescheidenen Stolzes in seiner Stimme zu hören. »Sie konnte doch wohl nicht bei diesem Wirrkopf bleiben! In den ersten Jahren haben sie sich am Wochenende gesehen, aber dann fuhr Madeleine für ein halbes Jahr in die USA – mit irgendeiner anderen Befreiungssekte, ich glaube, die waren später auch in irgendwelche Skandale verwickelt, aber da gehörte sie schon nicht mehr dazu – tja, und danach hatten sie eigentlich überhaupt keinen Kontakt mehr. Janis wollte nicht, und diese Chaotin auch nicht, denke ich ...«
Van Veeteren überdachte eine Weile dieses Familienidyll.
»Wissen Sie viel über Das Reine Leben?«, fragte er dann. »Was die so machen und so?«
Uri Zander zog ein paar Mal emsig an seiner Zigarette und schaute aus dem Fenster.
»Nein«, sagte er. »Nur das, was man in den Zeitungen liest ... und was so geredet wird, jetzt nach diesen Mordgeschichten. Nun ja, ich finde natürlich, dass es sich um eine Anhäufung von Stinkstiefeln handelt und dass es schlimm ist, wie die eine Unmenge armer Teufel anlocken, die so hohl sind, dass sie nicht zwischen ihrem eigenen Arschloch und einer Kuhle im Feld unterscheiden können ... Junge und Alte, und das alles nur, um mit dem Priester zu bumsen und sich gegenseitig zu vögeln.«
»Sie glauben, darum geht es?«
»Ja«, sagte Uri Zander. »Das glaube ich. Und damit stehe ich nicht allein da.«
Van Veeteren dachte eine Weile nach.
»Was denken Sie über den Mord?«, fragte er dann.
Uri Zander drückte seine Zigarette aus und setzte eine nachdenkliche Miene auf.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Dieser Jellinek, das ist schon ein richtiger Psychopath, da habe ich überhaupt keinen Zweifel dran ... tja, wenn ich es recht überlege, dann glaube ich, dass er derjenige welcher ist. Und jetzt hat er sich natürlich irgendwo hier in der Stadt bei einem verrückten Frauenzimmer aus seiner Gemeinde versteckt, von denen gibt es ja reichlich ... oder er liegt bei ihr und bumst sie, besser gesagt. Verdammte Scheiße. Das Reine Leben, fuck me!«
»Hm«, sagte der Hauptkommissar und warf einen kurzen Blick auf das Plakat. »Und was meinen Sie, warum Madeleine und die anderen beiden schweigen?«
»Weil er es ihnen gesagt hat natürlich. Er ist ihr oberster Bumsgott, und die gehorchen natürlich jedem einzelnen Wort, das er rausstottert. Sie wissen sicher von dem Gerichtsverfahren gegen
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