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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sie mit unserem Maß messen.«
    »Nein«, bestätigte Jung. »Und was glaubst du selbst?«
    Reinhart zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Aber wenn VV sich auf den Weg nach Stamberg gemacht hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Lösung dort liegt. Er stolpert doch immer über irgendwas, wenn er auf Dienstreise geht.«
    Jung nickte.
    »Oder er hat nur einen Sonnenstich gekriegt«, fuhr Reinhart fort und nahm die nächste Zitronenwasserflasche entgegen.
    »Oder es ist ihm scheißegal.«
    Reinhart zog Pfeife und Tabak heraus.
    »Hmm, ja«, brummte er. »Es sieht ihm zwar nicht ähnlich, sich so was entgehen zu lassen, aber es gibt da so einige Gerüchte.«
    »Genau«, nickte Jung gähnend. »Also, was machen wir jetzt? Es hatte nicht gerade den Anschein, als würde dieser Kluuge mit Befehlen nur so um sich schmeißen. Er schien eher zu hoffen, dass wir das hier für ihn in Ordnung bringen ... ich meine, wir und VV. Oder aber die anderen, aber – ehrlich gesagt – da habe ich so meine Zweifel.«
    »Fromme Wünsche«, sagte Reinhart. »Wie dem auch sei, ich denke, wir sollten loslegen. Genau wie der stellvertretende Polizeichef habe ich zu Hause eine schwangere Ehefrau, und ich habe absolut keine Lust, länger als unbedingt notwendig weg zu bleiben.«
    »Das wusste ich gar nicht«, sagte Jung. »Darf man gratulieren?«
    »Dann weißt du es jetzt«, sagte Reinhart. »Also, wo willst du anfangen?«

    Jung dachte nach.
    »Es wäre schon geil, wenn wir Jellinek finden würden.«
    »Genial. Und wo willst du anfangen zu suchen?«
    »Darum geht es ja gerade«, erklärte Jung. »Schließlich läuft doch die Fahndung nach ihm, vielleicht regelt sich das ganz ohne unser Zutun ... im Augenblick sieht man seine Visage ja alle naselang im Fernsehen. Da braucht man doch wohl nur zu warten, bis er auftaucht, oder?«
    »Oder bis etwas anderes auftaucht«, erwiderte Reinhart und betrachtete seine Pfeife. »O Mann, ich muss schon sagen, von diesem Mist hier wird mir ganz übel ... na gut, wenn du also nicht vor hast, falschen Propheten hinterherzuschnüffeln, was steht dann auf deiner Wunschliste?«
    Jung trank einen halben Liter Mineralwasser, bevor er antwortete. »Dieses Heim da«, sagte er dann. »Wolgershuus oder wie das noch heißt. Es könnte doch interessant sein, sich diese Frauen mal anzugucken.«
    »Und ihrem Schweigen zu lauschen?«, schlug Reinhart vor.
    »Warum nicht«, sagte Jung. »Es lässt sich viel im Schweigen finden.«
    Um die Weisheit seiner letzten Aussage zu unterstreichen, saß Reinhart eine halbe Minute schweigend da, während er blinzelnd in den Sonnenschein hinaus guckte und mit einer aufgespießten Serviette im Pfeifenkopf herumrührte.
    »Wieder ein heißer Tag«, stellte er nachdenklich fest. »Nun gut, dann knacke diese Priesterinnen. Versuche es mit deinem zurückhaltenden Stil, wir werden ja sehen. Ich glaube kaum, dass die Kollegen bis jetzt irgendwelche psychologischen Triumphe feiern konnten.«
    »Ja, ja«, sagte Jung. »Jeder hat so seine Talente. Und was will der Kommissar selbst tun?«
    »Nun ja«, sagte Reinhart. »Dann bleiben mir wohl nur die etwas jüngeren Jahrgänge übrig.«
    »Viel Glück«, sagte Jung und stand auf.
    »Vielen Dank«, sagte Reinhart. »Heute Abend wissen wir mehr.«

    Belle Moulder sah mürrisch und ängstlich aus. Und ziemlich unansehnlich, wie Reinhart fand, besonders wenn man bedachte, dass es ihn zwei Stunden am Telefon und im Auto gekostet hatte, um zu ihr zu kommen.
    Nach dem überstürzten Aufbruch aus dem Waldingenlager hatte das Mädchen offenbar zwei Tage in einem Heim in Stamberg verbracht und war anschließend zu einer in etwa gleich gesinnten Tante nach Aarbegen geschickt worden, wo nun von ihr erwartet wurde, die noch ausstehenden Wochen der Sommerferien mit Beten sowie dem Baden im Fluss zu verbringen und lange, kräftigende Radtouren unter der Aufsicht zweier fettleibiger Cousinen zu unternehmen ... um in gewisser Weise ihre Wunden zu lecken und die traumatischen Tage draußen in den Wäldern von Sorbinowo zu verarbeiten, wie man annehmen konnte. Womit nichts Böses über Das Reine Leben gesagt werden sollte. Gott bewahre.
    Edwina Moulder empfing ihn in Shorts auf einer gelben Hollywoodschaukel. Es war deutlich, dass sie gar nicht daran dachte, ihre Nichte mit diesem hergelaufenen Kriminalkommissar allein zu lassen.
    Nicht eine Sekunde, so interpretierte Reinhart ihre verkniffenen Mundwinkel. Er peilte die Lage und überlegte kurz mögliche

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