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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Lotoskapsel ist,
könnte uns ein weiteres Vorka bevorstehen. Irgend jemand wird
den Baum finden und zerstören müssen. Sicher, wir sprechen
nicht von einem angenehmen Traum, aber jemand mit Ihrem
Hintergrund sollte eigentlich damit fertig werden können. Sie
haben sich doch mit den Jahren jeden nur denkbaren Horror
einverleibt.«
    »Ja, aber der Lotosfaktor würde das alles
wegfegen«, erwiderte ich mit einem spöttischen
Lächeln. »Ich bin ein Veteran geistesgestörter
Mörder und Monster aus der Hölle – ich habe sogar
Verdeworts Kakodämon durchgestanden. Dieser Traum ist nie
in den Vertrieb gekommen, wissen Sie; ich mußte Kontakt mit dem
Kapselschlucker-Untergrund aufnehmen, um ihn zu finden, so greulich
ist das Ding. Aber Vorka-Äpfel? Hyperrealität? Das ist doch
offenkundig was ganz anderes! Sie könnten mir säckeweise
Gold oder galaktische Imperien anbieten – Sie werden mich nicht
dazu bringen, ihn zu essen!«
    Der Professor zwirbelte seinen Bart zu einer Spitze. »Na
schön. Aber bevor Sie den Campus verlassen und mich zwingen, mir
einen anderen Kritiker zu suchen, tun Sie mir bitte einen Gefallen.
Schauen Sie in Acheron Hall vorbei, Studio A, und sprechen Sie mit
unserer Psychobiologin. Sie hat ein paar interessante Ideen, wie man
sich für den Kampf mit einer Lotoskapsel wappnen kann. Sie
werden Dr. Aub mögen. Sie ist so etwas wie eine Hexe.«
    »Urilla Aub?«
    »Ja«, erwiderte Selig und klappte die Odyssee zu.
»Sind Sie ihr schon mal begegnet?«
     
    Als ich am nächsten Nachmittag über den Campus
schlenderte, war ich so in Gedanken versunken, daß die
sonderbare Architektur von Wendcraft nur ganz von fern Eindruck auf
mich machte. Türme ragten in sturmgraue Himmel; Turmspitzen
wanden sich umeinander; schiefe Glockentürme beherbergten
wacklige Bündnisse von Fledermäusen und Tauben; an
Wohnheimen im Zuckerbäckerstil hingen Anarchistenfahnen,
trocknende Wäschestücke und andere Erkennungszeichen der
Studenten, die sie bewohnten. Dennoch kam keins dieser Bilder gegen
den Druck meiner sprudelnden Gedanken an.
    Ja, ich war Urilla Aub schon begegnet. Es war eine intellektuelle
Begegnung, eine seelische Begegnung und auch eine Begegnung mit dem
Unterleib gewesen. Die Affäre hatte auf dem College begonnen und
geendet – auf der Arquebus-Universität, um genau zu sein
–, und während ihrer kurzen Dauer war nie von Heirat die
Rede gewesen, ebensowenig wie von Liebe. Aber wir redeten zweifellos so, als ob wir die Zukunft miteinander verbringen
würden. Wir sahen uns als berühmtes Traumweberpaar, wobei
wir beide die Webbücher schrieben und Urilla die Phrensamen
herstellte. Wenn wir uns trafen, verbrachten wir die Zeit
normalerweise damit, Plots für Äpfel zu skizzieren, von
denen der beste wahrscheinlich Bereinigung des Vergangenen war.
    In Bereinigung des Vergangenen baut eine Frau namens Sallie
Sequenzia eine Zeitmaschine und geht daran, alle Peinlichkeiten und
Fehlentscheidungen zu korrigieren, die sie in ihren Erinnerungen
quälen. Sie beabsichtigt, einem bestimmten jungen Mann zu sagen,
daß sie ihn liebt, nur um zu sehen, was dann passiert; sie hat
vor, Ob Vargos klassisches Skandalwerk Verbrechen vor Gericht nicht zu lesen und sich auf diese Weise sechs vergeudete Jahre zu
ersparen, die sie mit dem Versuch verbracht hat, ein
ökonomisches Utopia in der gesamten Milchstraße zu
schaffen. Die zentrale Ironie liegt darin, daß Sallie zur
Perfektionistin wird, als sie entdeckt hat, wie sie ihr Leben in ein
Kunstwerk verwandeln kann; sie versucht jeden noch so kleinen Fehler
zu bereinigen – die schlagfertige Antwort, die sie bei
irgendeiner Cocktailparty hätte geben können, aber nicht
gegeben hat – und ist bald noch frustrierter als am Anfang.
Urilla und ich verbrachten viele lange Stunden damit, die Paradoxa zu
glätten und die Widersprüche zu mildern, die sich bei
Zeitreisegeschichten unausweichlich ergeben.
    Dann erklärte mir Urilla eines Tages – nie werde ich
ihre ätzende Wortwahl vergessen –, sie habe ›es
geschafft, was mit Toland Barnes anzufangen‹. Toland Barnes war
ein Möchtegern-Traumkritiker mit einem lüsternen Grinsen
und zu vielen Muskeln. Ich schlug zurück, indem ich was mit
Talas Pru anfing und meine Gefühle für sie so lange
aufrechterhielt, wie das bei einer eingebildeten Schauspielerin nur
möglich ist, und indem ich ein besserer Kritiker wurde, als
Barnes es je werden würde.
    Acheron Hall war ein zylindrisches Gebäude, das man in einer
anderen Zeit

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