Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
jammerst, wenn du
erkältet bist.« Tatsächlich wußte ich eigentlich
gar nicht, warum meine Beziehung mit Talas so ranzig geworden war.
Ich wußte nur, daß wir es nicht mehr schafften, einander
zu tolerieren, daß Talas’ Eigenheiten und Neurosen
allesamt eine völlig unangemessene Reaktion bei mir
auszulösen begonnen hatten, die man nur als Abscheu bezeichnen
konnte, und daß sie genauso allergisch gegen mich geworden
war.
    Die beiden Raumschiffe glichen ihre Geschwindigkeit an und
stellten eine Verbindung zwischen ihren Luftschleusen her, und bald
konnte man sicher hinüberwechseln.
    Die Fleischtopf war vergoldet und so todschick, daß
sogar ein Stein vor Ehrfurcht erstarrt wäre. Selbst die
Luftschleuse war piekfein; die Decke war mit einem Mosaik aus Gold
und Jade verziert, das eine Orgie darstellte, an der verschiedene
Spezies teilnahmen. Urilla, Iggi und ich traten aus der Luftschleuse
und ließen uns von dem Laufband zu einem Salon tragen, in dem
verspiegelte Säulen eine Decke mit gewaltigen Kronleuchtern an
einem Fußboden mit teppichbelegten Vertiefungen verankerten. In
etwa der Hälfte der Vertiefungen lümmelten sich Gäste
der Fleischtopf, tranken Cocktails und ließen einen
wahren Hagelschauer von Gequassel in dem Raum niedergehen. An den
Wänden waren weitere hübsch gestaltete Orgien in Gold und
Jade zu sehen. Jonnies Werk machte dem Wort Hedonismus alle Ehre.
    Ich konnte nicht sagen, ob es sich bei der jungen Frau, die uns
empfing, um einen Gast oder eine Bedienstete handelte. Ihr Benehmen
erweckte den Eindruck, daß sie ein Gast war, aber ihr
Verspechen, loszugehen und unsere Ankunft zu melden, ließ auf
eine Bedienstete schließen. Später erfuhr ich, daß
sie ein Roboter war und zu Jonnies Hurensammlung gehörte.
    »Nehmen Sie Platz, wo Sie Lust haben«, sagte sie.
»Bestellen Sie jeden Drink, der so klingt, als ob er nicht mehr
zu verbessern wäre.«
    Urilla und ich stürzten uns in eine leere Vertiefung und
betätigten ein paar unmittelbar verständliche Tasten mit
dem Ergebnis, daß bald darauf zwei winzige
Heißluftballons auf uns zuschwebten. Die Gondel meines Ballons
enthielt etwas, das sich Satans Mundwasser nannte. Urilla hatte sich
einen süßsauren Synapsenkicker bestellt.
    Wir waren gerade bei der zweiten Runde, als unser Gastgeber
erschien und mit einem Paar Antigravitationsstiefel durch den Salon
flitzte. Seine feuerroten Haare flatterten hinter ihm, und um seine
Schultern wehte ein juwelenbesetztes Cape, mit dem man wahrscheinlich
meine gesamte High-School-Abschlußklasse durchs College
hätte bringen können. Er hatte sich ein richtiges Schwert
um den Bauch geschnallt. Urilla glotzte ihn mit offenem Mund an, so
königlich gut sah er aus.
    Ich habe allein schon bei Jonnie Rondos Namen immer einen Menschen
vor meinem geistigen Auge gesehen, wie er einer war, ein
Möchtegern-Wüstling, zu dumm, vorsichtig und
schüchtern, um ein wahrhaft zügelloses Leben zu
führen, ein Dorian Gray, dessen Porträt nie einen Tag
älter als dreißig aussehen würde. Die meisten
Alptrinker machten mir angst, aber der kleine Jonnie würde
für mich trotz seines ganzen Strebens nach Sündhaftigkeit
immer nur eine Art Clown sein.
    »Ihr bleibt zum Abendessen«, sagte der Bluttrinker. Es
war eher ein Befehl als eine Frage. »Als Hauptgericht
gibt’s farcierten Austernigel, und zum Dessert haben wir ein
Doppelprogramm von Erotokapseln. Habt ihr Lust auf was Laszives?
Heute gibt es Nicht Worte, sondern Taten, gefolgt von dem Millionen-Jahre-Vorspiel. Klassiker!«
    Aha, dachte ich, Jonnie amüsiert sich also nicht nur mit Alptrinken. Ordinäre Hardcore-Pornos sind auch nach
seinem Geschmack. Obwohl ich Erotokapseln generell nicht mochte,
wußte ich, daß ich aus Höflichkeit so tun sollte,
als ob es mir imponierte.
    »Bei solchen Desserts wirst du uns eine Woche lang nicht mehr
los«, sagte ich.
    Als ich meine Begleiter vorstellte, spürte ich, daß sie
bei Jonnie zwei verschiedene Arten von Verlangen weckten. Urilla
schätzte er wegen ihrer Schönheit, den Roboter, weil er so
wertvoll war. Man denkt für gewöhnlich, daß
Aristokraten eine lässige Einstellung zu Geld haben, daß
es sie nicht sonderlich reizt, aber meiner Meinung sind sie genauso
davon besessen wie wir anderen auch.
    »Also, was führt euch in meine Lasterhöhle?«
fragte er, während er die Stiefel ausschaltete, herunterkam und
zwischen Urilla und Iggi Platz nahm.
    Ich gab Jonnie zu verstehen, daß ein wenig Abgeschiedenheit
ganz

Weitere Kostenlose Bücher