Der Konvent der Zauberer
in die Vergangenheit schicken könnte.
»Ich glaube nicht, dass jemand das hinbekommen könnte. Weder einer von uns noch von den Elfen-oder den Orgk-Zauberern. Jede kleine Einzelheit einer langen Szene? Es gibt einfach zu viel, was man dabei kontrollieren müsste. Und was ist mit den echten Geschehnissen? Es ist eine Sache, sie eine Weile zu verbergen, aber wenn man sie nicht komplett ausradiert, dringen sie irgendwann durch jede noch so kunstvolle Illusion hindurch.«
Mittlerweile hat sich die Neuigkeit herumgesprochen, dass Darius in einer Schneewehe erstochen aufgefunden worden ist. Die Zauberer, die Turai kennen, erklären denen, die hier fremd sind, dass ZwölfSeen das übelste Viertel der Stadt ist, das Hafenviertel, in dem die Gewalt regiert. Viele nicken bestätigend. Der erste Eindruck suggeriert, dass der Abelasianer anscheinend dorthin gegangen ist, um sich Boah oder eine Prostituierte zu besorgen. Beides wäre für einen Zauberer auf Urlaub keineswegs ungewöhnlich.
Prinzessin Direeva und ihr Zauberlehrling halten sich von den Massen fern. Niemand kann vorhersagen, wie die Prinzessin reagieren wird, wenn sie von der Zivilgarde verhört werden sollte. Wird sie ihr Schweigen bewahren, um Makri und Lisutaris zu schützen? Oder wird sie sagen, was sie weiß, sich auf diplomatische Immunität berufen und rasch abreisen? Mit Direeva und Astral gibt es schon zwei Leute zu viel, die eine Indiskretion begehen könnten. Selbst wenn Lisutaris’ Zauberspruch die Ereignisse des Mordes noch Wochen verschleiern könnte, glaube ich trotzdem nicht, dass sich die Zivilgarde so lange in die Irre führen lässt. Die wissen, wie man eine Spur verfolgt. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass unsere thazissüchtige Herrin des Himmels einem Verhör standhält. Ich verfluche den Tag, an dem ich mit dieser Frau zu tun bekommen habe. Es wäre besser gewesen, wenn die Drachen, die sie damals vom Himmel geputzt hat, ihr auf den Kopf gefallen wären.
Es wird Zeit, Marihana zu besuchen. In der Eingangshalle befindet sich ein Botenposten, der zur freien Verfügung der Zauberer dort eingerichtet wurde. Der junge Bote, der meine Schriftrolle entgegennimmt, wirkt ein bisschen überrascht, als er die Adresse sieht. Das Hauptquartier der Meuchelmördergenossenschaft? Aber er eilt davon, um seine Pflicht zu tun.
Ich verlasse schleunigst den Konvent und halte draußen einen Miet-Landauer an. Kurz danach sitze ich in einer Kaschemme in den Randbezirken des berüchtigten Kushni-Viertels. Kushni ist das Zentrum der Trinkhäuser, Spielhäuser, Boahhäuser, Hurenhäuser und aller anderen schlecht beleumundeten Hütten, die man sich nur denken kann. Im Sommer wälzt sich hier eine schwitzende, kochende Masse dekadenter Menschlichkeit entlang. Selbst im Winter laufen die Geschäfte höchst ungesund rund. Die Meuchelmörder haben hier in der Nähe ihr Hauptquartier eingerichtet. Ich habe Marihana in dem Schreiben darüber informiert, dass ich mitten in ihren Laden hineinmarschieren und lauthals nach ihr rufen würde, wenn sie diese letzte Bitte um ein Treffen ebenfalls ignoriert. Ich vermute, dass sie das aus ihrem Loch treiben wird. Kein Meuchelmörder mag es, wenn sein Name in aller Öffentlichkeit laut gerufen wird. Es sind schon berufsbedingt sehr zurückhaltende Leute.
Eine junge Hure mit einem roten Band im Haar schlendert an meinen Tisch. Ich ignoriere sie. Dann ist ihr junger männlicher Gefährte an der Reihe. Er hat ebenfalls ein rotes Band im Haar. Ich wusste gar nicht, dass die Hurenvereinigung Männer zulässt. Aber vielleicht irre ich mich ja. Jedenfalls ignoriere ich auch ihn. Ein Boahhändler bietet mir billiges Lalula an, eine noch stärkere Droge als Boah. Ich sage ihm, er soll gefälligst verduften. Der Freund des Händlers ist jedoch außerordentlich hartnäckig. Ich ziehe einen Dolch aus meiner Tasche und lege ihn auf den Tisch. Sie verspotten mich, stoßen ein paar Beleidigungen aus, trollen sich aber schließlich. Es gibt genug willige Kunden, die sie versorgen können. Also ist es nicht nötig, sich mit einem großen bösen Mann mit einem Messer anzulegen.
Marihana taucht in der Verkleidung einer Marktarbeiterin auf. Jedes Mal, wenn ich ihr begegne, wundere ich mich darüber, wie jung die Meuchelmörderin aussieht. Aus den vielen erfolgreichen Aufträgen, die ihr zugeschrieben werden, schließe ich, dass sie keinesfalls unter dreißig sein kann. Sie ist eine kleine, zierliche Frau mit dunklem Haar und sehr blasser
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