Der Konvent der Zauberer
Motiv komme, heißt das noch lange nicht, dass es sich nicht genau so zugetragen haben könnte. Mir sind schon merkwürdigere Dinge passiert. Vielleicht hat das Thazis sie ja verrückt gemacht. Keiner kann genau sagen, was ein derartig exzessiver Konsum alles auslösen kann.
»Hat Lisutaris auch von deinem Boah genommen?«
»Hör mit diesem Gerede über das Boah auf!«, zischt Makri. »Ich habe mich schon mehr als genug dafür entschuldigt.«
Wir arbeiten einen Band nach dem anderen durch, rollen eine Schriftrolle nach der anderen auf und wieder zu. Diese Aufgabe ermüdet mich schnell. Ich hasse diesen Katalog. Lieber würde ich mich in einer eisigen Gasse auf die Lauer legen.
»Können sie das nicht auf eine Art und Weise ordnen, die ein Mann verstehen kann?«
»Es ist vollkommen logisch geordnet.«
»Was bedeuten diese Zahlen? Ich verstehe sie einfach nicht.«
»Das ist das Klassifikationssystem«, erklärt Makri. »Es verrät dir, wo du die einzelnen Bände finden kannst.«
»Warum ist es nicht klarer aufgebaut?«
»Es ist sehr klar aufgebaut. Du kapierst es nur einfach nicht.«
Ich mühe mich weiter ab und grabe mich durch Bücher, die Zaubersprüche für jede nur denkbare Gelegenheit auflisten. Wenn ich lernen wollte, wie man einen Troll flachlegt, hätte ich Glück gehabt. Wenn ich herausfinden wollte, wie das Wetter in zweihundert Meilen Entfernung ist, könnte ich jetzt die richtige Anrufung ausfindig machen. Ich bin sogar auf einen Zauber gestoßen, mit dem ich die Stärke von Bier feststellen kann, und daran bin ich nun wirklich interessiert. Aber von dem, wonach ich suche, fehlt jede Spur.
»Die Sache ist hoffnungslos. Ich habe schon die ganze Zeit behauptet, dass man es nicht machen kann. Sicher, ich mag der schlechteste Anwender von Magie in ganz Turai sein, und ich bringe kaum mehr fertig, als meinen Mantel aufzuwärmen und meine Gegner schlafen zu legen. Aber ich kenne die Grundregeln der Zauberei – und auch ihre Grenzen. Ich glaube, wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Lisutaris ist schuldig.«
»Das kannst du doch nicht wirklich glauben«, protestiert Makri. »Du hältst es nur nicht mehr länger in der Bibliothek aus. Du kannst doch nicht einfach eine Frau auf das Schafott schicken, weil du ein Klassifikationssystem nicht erträgst.«
»Da würde ich nicht drauf wetten. Außerdem kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Wenn ich nicht bald etwas zu essen bekomme, breche ich zusammen. Ich schlage vor, wir gehen in das Gasthaus gegenüber und versuchen es später weiter.«
Aber Makri hat keinen Hunger.
»Und außerdem will ich jetzt nicht einfach die Recherche aufgeben. Ich will erst den ganzen Katalog durchforsten.«
Ich bewundere ihre Zähigkeit, aber ich selbst kann nicht mehr. »Wir treffen uns in der Taverne, wenn dir die Energie ausgegangen ist. Vielleicht fällt mir ja etwas Schlaues ein, wenn ich wieder einen vollen Bauch habe.«
Die Kaiserliche Bibliothek liegt an einem großartigen Platz, der von einer riesigen Kirche und dem Gebäude des Ehrenwerten Vereins der Kaufmannschaft flankiert wird. So viele arbeitende Menschen brauchen natürlich eine kleine Erfrischung, und folglich gibt es hier in der Gegend eine Menge Tavernen. Ich entscheide mich für Der Gelehrte, die trotz ihres Namens einen recht einladenden Eindruck macht. Der kurze Weg von der Bibliothek zur Taverne jedoch ist die reinste Qual. Der eiskalte Wind bläst durch meinen Mantel, und der Schnee peitscht mir ins Gesicht. Als ich in der Taverne ankomme, ist mein Umhang von kleinen Eispartikeln verkrustet, und ich hänge ihn dicht an den Kamin, damit er trocknen kann. Am frühen Nachmittag ist die Taverne noch leer. Nur zwei junge Leute, vermutlich Studenten, sitzen an einem Tisch. Sie haben zwei kleine Bierkrüge vor sich und sind über eine Schriftrolle gebeugt. Ich bestelle die Spezialkeule aus Pökelfleisch, nehme mir mein Bier und setze mich dann an einen besonders guten Platz direkt ans Feuer, um mich aufzutauen.
Noch ein paar Winter wie dieser, und ich bin erledigt. Vielleicht ist es ja doch keine so schlechte Idee, in den sonnigen Süden zu flüchten. Ich stecke nämlich wirklich in der Klemme. Mittlerweile hat Darius’ Tod schon das Interesse der mächtigsten Zauberer geweckt. Sie werden feststellen, dass Lisutaris’ Verschleierungszauber ihnen den Weg versperrt, aber wie lange wird er halten? Was ist, wenn Lisutaris zu sehr unter Thazis stand, um den Schleier ordentlich zu spinnen? Die Zivilgarde
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