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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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Moment riss er sich vom Anblick der Puppe los und entleerte sich beinahe vor Angst, als er erkannte, dass sein ganzes Bett von diesen Monstern umzingelt war. Es waren mindestens ein Dutzend, die stumm mit ihren Klingen auf ihn deuteten.
    Die Puppe, die auf seiner Brust stand, senkte das Messer, sodass es seine Kehle berührte. Sie beugte sich zu ihm herab. Ihre Knopfaugen fixierten den jungen Gelehrten. »Halt dich fern, sonst …« Sie vollführte eine blitzschnelle Bewegung und ritzte Icherios’ Hals von Schlagader zu Schlagader auf. Ein wenig tiefer und er würde innerhalb von Sekunden verbluten. Tränen stiegen in Icherios’ Augen.
    Dann wurde der Druck plötzlich von seiner Brust genommen. Die Puppe hüpfte in ruckartigen Bewegungen von seiner Brust. Die kleinen Monster reihten sich hintereinander auf wie Soldaten und marschierten auf den Arbeitsraum zu. Dort sprangen sie durch das offene Fenster nach draußen. Wie hatten sie das Fenster geöffnet? Icherios war sich sicher, dass er es geschlossen hatte.
    Der junge Gelehrte wagte es noch eine ganze Weile nicht, sich zu bewegen. Ängstlich starrte er das Fenster an. Schließlich überwand er sich, stand zitternd auf, rannte hinüber und schloss es mitsamt den Läden. Wo war Maleficium? Nach einigen Minuten des Suchens entdeckte er ihn in einem offen stehenden Käfig auf der hintersten Arbeitsbank. Erleichtert holte er ihn heraus und sank schluchzend auf sein Bett.
    In dieser Nacht fand er keinen Schlaf mehr, sodass er am nächsten Morgen vollkommen übermüdet in die Vorlesung torkelte.
    Marthes blickte ihn besorgt an. »Alles in Ordnung?«
    »Später.«
    In der Mittagspause gingen sie zu Marthes nach Hause. Seine Mitbewohner befanden sich auf der Straße, um sich die Zeit mit Ballspielen zu vertreiben, sodass sie ungestört waren. Nach anfänglichem Zögern berichtete der junge Gelehrte von dem nächtlichen Besuch. Sein Experiment mit Maleficium erwähnte er nicht. Marthes wusste nichts von dem Vampirbiss und dabei wollte Icherios es vorerst belassen. Es war schon schwer genug, den jungen Mann in die anderen seltsamen Vorgänge einzuweihen. Icherios war sich am Ende ihres Gespräches nicht sicher, ob Marthes ihm glaubte. Zu schnell hatte er eingewilligt, erst noch weitere Nachforschungen anzustellen, bevor sie etwas unternahmen. Entweder war er viel geneigter, Magie und übernatürliche Wesen zu akzeptieren als Icherios, oder er glaubte ihm kein Wort.
    Nach der letzten Vorlesung eilte er zurück ins Magistratum. Franz hatte ihm am Morgen versprochen, Gismara um ein Gespräch zu bitten. Sie war die Einzige, die Icherios kannte, die Verbindung zu Hazecha hatte. Die beiden erwarteten ihn bereits in der Küche, wo die Werratte eifrig am Herd werkelte. Der Geruch nach gebratenen Würstchen, Kartoffeln und gebackenen Äpfeln mit Honig schlug Icherios entgegen und nahm ihm etwas von der Nervosität, die ihn unter Gismaras berechnendem Blick befiel.
    »Du kommst wie gerufen.« Franz lächelte ihn herzlich an. »Das Essen ist gleich fertig. Wie war dein Tag?«
    »Die Vorlesungen waren eintönig wie immer.«
    Gismara lachte verächtlich. »Ihr seid wohl zu gut für eine einfache Universität?«
    »Ich, nein«, stotterte Icherios.
    »Lass den Jungen, Gis. Er ist wirklich gut, und die Jesuiten eine Plage. Das solltest du am besten wissen.«
    Die Hexe schloss beleidigt den Mund. Franz zuckte mit den Achseln. Der junge Gelehrte würde nie verstehen, warum sich die liebenswerte Werratte zu diesem eiskalten Biest hingezogen fühlte.
    Während des Essens sprach in erster Linie Franz, der versuchte, ein lockeres Tischgespräch in Gang zu bringen, doch Gismara blockte jeden Versuch ab. Als sie ihr Gesicht ins Licht drehte, sah Icherios, dass ihre Haut unter einer dicken Schicht Schminke an einigen Stellen blau angelaufen war. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie sich etwas steif und übervorsichtig bewegte. Was war nur mit ihr geschehen? Aber er wagte nicht zu fragen. Immerhin war das wohl der Grund für ihre besonders schlechte Laune an diesem Abend.
    Nach der Mahlzeit schenkte ihnen Franz einen süßen Muskatwein ein und schürte das Feuer im Herd, sodass sich eine heimelige Wärme in der Küche ausbreitete, während draußen ein Sturm heulend um die Ecken pfiff.
    »Nun können wir reden.« Franz setzte sich mit einer Schale Nüsse an den Tisch. »Was liegt dir auf dem Herzen, Grünschnabel?«
    Icherios schwieg einen Moment. Er traute sich nicht zu fragen. Verlegen musterte er

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