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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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Die Welt um ihn herum versank sogleich in einem Wirbel; die Ruine vervollständigte sich und wuchs in die Höhe, bis er in der Mitte eines Klosters stand. Dann zerfiel es innerhalb von Sekunden wieder vor seinen Augen, bis er sich auf einer gerodeten Landfläche befand. Die Erde wölbte sich, von Steinen verstärkt, in konzentrischen Ringen auf, bis eine riesige Ringwallanlage entstanden war. Die rasende Entwicklung kam zum Stillstand, die Luft um Icherios waberte grau, alles war verzerrt. Hätte er Hazechas Hand nicht gespürt, wäre er zurückgeprallt, als sich aus dem Nebel der Zeit die Gestalten von geflügelten Dämonen mit funkelnden Zähnen und langen Schwänzen schälten. Sie rannten, mit brutalen, gezackten Schwertern und mit Widerhaken besetzten Speeren bewaffnet, auf den Ringwall zu, hinter dem in grobe Felle gekleidete Menschen kauerten. Ihre zum Teil steinernen Waffen und hölzernen Schilde wirkten harmlos im Vergleich zu den auf sie einstürmenden Monstern. Sie hatten keine ­Chance. Er schluckte, als er Kinder und Frauen in ihren Reihen entdeckte.
    Dann verschwand das Bild, und Icherios fand sich auf dem Gipfel des Berges wieder, der zu dieser Zeit fast vollständig gerodet war und einen guten Überblick auf die gestaffelten Ringwälle erlaubte, zwischen denen Tausende Feuer brannten,­ und hinter denen die Verteidiger hockten, um ihre ärmlichen, in die Erde gegrabenen Behausungen zu beschützen. Doch trotz der anstürmenden Dämonen lag Hoffnung in ihren Augen. Ein lautes Brüllen erklang hinter dem jungen Gelehrten. Er drehte sich um. Ein Mann mit geflochtenem Bart und langen, schwarzen Haaren, der die Selbstsicherheit eines geborenen Anführers ausstrahlte, stand auf einem steinernen Podest und brüllte seine Herausforderung in die Nacht. In den Händen hielt er einen Stab, der an einen krummen, knorrigen Wanderstock erinnerte, nur dass er aus Gold gearbeitet war und von einem schwarzen Diamanten gekrönt wurde. In dem Moment, in dem die Dämonen den Wall erreichten, hob er den Stab, rief fremdartige Worte und schlug ihn in eine Öffnung auf dem Podest. Ein pulsierendes Licht erstrahlte. Lautes Gebrüll erscholl, als sich das Fleisch von den Dämonen schälte, bis nur noch ihre Skelette braun im Mondlicht glänzten und schließlich zu Staub zerfielen. Icherios schauderte beim Anblick des nackten Entsetzens in den Augen dieser Kreaturen. Selbst Dämonen schienen Angst zu verspüren. Plötzlich verschwamm das Bild erneut. Die Landschaft veränderte sich, Bäume schossen in die Höhe, die Ringwälle versanken gemeinsam mit Podest und Stab im Erdreich. Dann stoppte die rasante Entwicklung, ein bierbäuchiger Mönch in brauner Kutte kam ächzend den Berg hinaufgeklettert. Er schloss die Augen, sprach ein Gebet und eilte sodann auf die Stelle zu, an der einst das Podest gestanden hatte. Seine Finger fuhren suchend über das Laub, gruben sich in die Erde, wühlten sich in die Tiefe, bis er schließlich den goldenen Stab triumphierend in die Höhe hielt.
    Das Bild verblasste, ein Sog packte Icherios, dann fand er sich in der Wirklichkeit wieder. Er hielt noch immer die Hand der Lamia umklammert.
    »Ich verstehe nicht«, stammelte er, verwirrt von der Flut der Eindrücke.
    »Du hast das Artefakt gesehen?« In ihrer wahren Gestalt sprach Hazecha die Worte aus, als wenn sie ihr fremd wären, und begleitete sie mit einer Reihe von Zischlauten.
    »Es hat die Dämonen vernichtet.«
    »Der Stab löscht alle Magie aus, und wie Menschen aus Wasser, so sind Dämonen aus Magie erschaffen. Ein gro­ßer Magier erschuf das Artefakt vor Tausenden von Jahren, um sein Volk in dem Kampf gegen die schwarzen Heerscharen zu unterstützen. Später fand es ein Mönch, brachte es nach Rom, wo sich die Spur des Stabs verliert, bis es in den Händen eines religiösen Fanatikers auftauchte, der in Heidelberg eine Maschine errichtete, um die Wirkung des Artefakts zu verstärken. Mit ihr erzeugte er den Schleier, der seither den Kontinent bedeckt.«
    Icherios blickte sie ungläubig an. »Was soll dieser Schleier bewirken?«
    »Kannst du es dir nicht denken?«
    »Das ist nicht möglich«, hauchte er.
    »Doch, er verbannt die Magie aus der Welt. Erst durch die Errichtung der Maschine konnten sich die Menschen Europas entwickeln.«
    »Aber es gibt Euch, Lamien, Vampire, Hexen, Werwölfe, Craban …«
    »In alten Zeiten waren die Menschen in der Unterzahl, beherrscht von den Geschöpfen der Magie und Nacht. Durch den Schleier

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