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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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schmalen Gang, von dem zahlreiche Lagerräume und eine Treppe in den Keller abzweigten, in einen großen Raum hinein, in dem noch der schwere Geruch von Mehlstaub hing. Massive Holzbalken stützten das Gebäude, während die Achsen und Gewinde der Mühle ein verwirrendes Geflecht bildeten, in dem unzählige Spinnen ihre Netze gespannt hatten.
    Ohne sich umzublicken, begann Gismara den Inhalt ihrer Taschen auszuräumen: Kerzen und Kreiden in den verschiedensten Farben, ein Bündel silberner Nadeln und Dolche, eine goldene Schüssel, ein Kristallkelch und ein mit Smaragden besetzter Ritualdolch. »Ich benötige etwas von Eurem Blut.«
    »Wie bitte?« Icherios glaubte, sich verhört zu haben, so beiläufig hatte sie es vorgebracht.
    »Ich sagte, ich brauche Euer Blut.«
    »Wozu?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Ich gebe mich nicht für irgendwelchen Hokuspokus her.«
    Gismara sprang auf ihn zu – viel schneller, als es einem Menschen möglich sein sollte –, packte ihn an der Kehle und hob ihn hoch. Ihre Augen glühten in einem faszinierenden Blaugrün. »Sehe ich aus, als wenn ich Hokuspokus betreiben würde?«
    »Lasst mich runter«, krächzte Icherios.
    Sofort ließ sie ihn los, woraufhin er auf den Boden plumpste. »Was seid Ihr? Ein Vampir?«
    »Sie ist eine geborene Hexe, eine Incantatrix, um genau zu sein«, erklärte Franz betont lässig, während er den jungen Gelehrten sorgfältig beobachtete.
    »Es gibt keine Hexen. Sie wurden von der Inquisition ausgelöscht«, wandte Icherios ein.
    »Entscheide dich, entweder wir existieren überhaupt nicht, oder wir wurden verfolgt.« Gismara lächelte spöttisch. »Allerdings geschah es selten, dass jemand einer Incantatrix auf die Schliche kam. Meist erwischte es andere Arten, und noch viel häufiger waren es unschuldige Frauen, deren Intelligenz die Männer erschreckte.«
    »Wie Hellseherinnen?«
    »Die Saga, ja, sie sind die Schwächsten im Kampf, wenn auch mit der mächtigsten Gabe.«
    Icherios dachte an Eva, eine Frau, die ihm in Dornfelde geholfen und dafür mit ihrem Leben bezahlt hatte. Die Trauer schnürte ihm die Kehle zu. »Ich kannte eine Saga. Sie hat mir geholfen.«
    Überraschung spiegelte sich auf Gismaras Gesicht wider.
    Icherios kam ein absurder Gedanke. »Dachtet Ihr, dass ich Euch verbrennen will?«
    »Ihr wärt nicht der Erste.« Sie wendete sich erneut ihren Utensilien zu, aber die Anspannung, die sie die ganze Zeit gezeigt hatte, ließ nach.
    »Ich hatte dir doch gesagt, dass er kein übler Kerl ist.« Franz lächelte Icherios stolz an.
    »Jaja, genug geredet. Ich brauche sein Blut.«
    »Warum meines?«
    »Weil ich Menschenblut benötige.«
    »Nehmt das von Franz.« Icherios wusste, dass er sich lächerlich machte, aber beim Anblick seines eigenen Blutes fiel er regelmäßig in Ohnmacht.
    »So schnell trägt er seine Freunde zur Schlachtbank«, lachte Franz.
    Gismara war weniger amüsiert. »Ich sagte, ich brauche Menschenblut. Der Fluch wurde gegen Menschen gerichtet, also muss ich ihn mit Menschenblut aufheben.«
    Der junge Gelehrte blickte Franz erstaunt an. War er ebenfalls kein Mensch? Dann erinnerte er sich, wie der Mann die Nase witternd in die Luft gehoben hatte.
    Franz schob sich genüsslich eine Nuss in den Mund und zuckte mit den Achseln. »Jeder hat seine Geheimnisse.« Bevor Icherios ausweichen konnte, schnappte er dessen Arm, packte ein Messer und schnitt ihm in die Handfläche.
    Der junge Gelehrte jaulte auf, hielt dann aber seine Hand über die goldene Schale, die Gismara schon bereitgehalten hatte. Beim Anblick seines Lebenssaftes, der nun in das Gefäß tropfte, wurden ihm die Knie weich, aber es mischte sich dieses Mal eine ungewohnte Faszination darunter. Wie hypnotisiert beobachtete er, wie das Blut aus der Wunde quoll; roch den metallischen und zugleich süßen Geruch.
    »Pflanz dich hin.« Franz riss ihn aus der Erstarrung und zwang ihn, sich zu setzen. »Bist halt doch noch ein Grünschnabel.«
    Icherios bekam kaum mit, wie Gismara ein komplexes Muster auf den Boden zeichnete und auf dessen Eckpunkte hohe, schwarze Kerzen stellte. Ihm war zu übel – diese Faszination für Blut musste auf den Strigoi zurückzuführen sein. War er überhaupt noch er selbst? Zum ersten Mal zog er ernsthaft in Erwägung, zur Andreasnacht nach Karlsruhe zurückzukehren. So sehr er Raban auch misstraute, aber wer konnte einen Strigoi besser kontrollieren als ein Vampir? Und es war in dessen eigenem Interesse, dass Icherios in dieser Nacht

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